Karlsruhe. Unten liegt das Häusermeer – inklusive schlechter Luft, Lärm und Stau. Und oben: gleiten Gondeln über die Alltagssorgen einer Großstadt hinweg.

Das Bild ist für europäische Augen irritierend. Aber in Boliviens Metropole La Paz verkehren mittlerweile vier Seilbahnlinien als Bus-Ersatz. Fünf weitere sollen bis 2020 hinzukommen. Das komplette Seilbahnnetz der Stadt wird dann 30 Kilometer lang sein. Länger als im Skigebiet von St. Moritz.

Urbane Seilbahnen sind weltweit im Kommen. Mexiko-Stadt, Ankara, London: Unter anderem dort wurden jüngst Projekte verwirklicht. In Deutschland wird aktuell zumindest fleißig geplant.

All das freut die Hersteller. „Wir werden unser Geschäft in den Städten ganz sicher ausbauen“, prognostiziert Ekkehard Assmann, Marketing-Chef der österreichischen Firma Doppelmayr. Der Branchenriese hat nach eigenen Angaben einen Anteil von rund 60 Prozent am weltweiten Seilbahnumsatz von mehr als 1 Milliarde Euro im Jahr. Dabei dominiert das klassische Geschäft mit Bergbahnen. Aber gut jeden zehnten Euro erzielt der Hersteller bereits im urbanen Raum.

Und dabei verdient auch die deutsche Industrie mit – als Zulieferer. Bei Doppelmayr kommt ein Großteil des Stahls von den Firmen ThyssenKrupp und Salzgitter. ZF Friedrichshafen liefert Getriebe und Stoßdämpfer, Siemens Planungssoftware. Auch Elektromotoren kommen aus Deutschland – ebenso wie Schrauben, Schienen oder Steuerungen. Zwei Drittel aller Doppelmayr-Zulieferer haben Deutschland-Bezug.

Hierzulande eingesetzt werden Seilbahnen im städtischen Nahverkehr bislang allerdings kaum. In Hamburg und Köln wurden entsprechende Pläne verworfen. Die 2010 errichtete Bahn in Koblenz ist vor allem eine Touristen-Attraktion.

Doch es geht auch anders. „Die Seilbahn ist für die Verkehrsplanung in deutschen Städten eine Option, die sehr sinnvoll sein kann“, sagt Maike Puhe vom Karlsruher Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse. Sie leitet ein Forschungsprojekt zur „Praxis urbaner Luftseilbahnen“ – und beobachtet aktuelle Planungen genau.

In Bonn etwa wurde gerade eine positive Machbarkeitsstudie für eine vier Kilometer lange Strecke vorgestellt. Konstanz debattiert seit Jahren über eine Seilbahn. Und auch die Stadt München hat sie als Alternative zu Bus und Bahn auf dem Schirm. Am weitesten ist Wuppertal: Der Stadtrat will im Juli über ein 83 Millionen Euro teures Vorhaben entscheiden. Es soll unter anderem den Bahnhof mit der Universität verbinden – und hat nicht nur Freunde.

„So eine Seilbahn ist natürlich was Neues, sorgt für Unsicherheit und verändert ein Stadtbild“, erklärt Wissenschaftlerin Puhe. Zusätzlich wären viele Menschen ganz persönlich betroffen, etwa durch Gondeln, die in luftiger Höhe das eigene Grundstück überqueren.

Dennoch sieht sie für städtische Seilbahnen auch in Deutschland eine Zukunft. „Man muss sie mit den Alternativen vergleichen, etwa Bus und Bahn. Hat man dann im Einzelfall die Argumente auf seiner Seite, lässt sich auch die Bevölkerung überzeugen.“