München. Schneller als erwartet steigen die Tarifpartner der bayerischen Metall- und Elektroindustrie (M+E) jetzt in die Verhandlungen für einen neuen Tarifvertrag ein. Der Arbeitgeberverband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie (vbm) nimmt damit das Angebot der IG Metall an, über ein Zukunftspaket für den Industriestandort Bayern zu sprechen – und damit rasch Klarheit und Planungssicherheit zu schaffen.

Hintergrund sind die besonderen Herausforderungen, vor denen die M+E-Industrie im Freistaat derzeit steht. Sie befindet sich nicht nur seit gut einem Jahr in der Rezession, sondern muss in dieser wirtschaftlich schwierigen Lage auch noch die Herausforderungen der digitalen Transformation sowie den Technologiewandel in der Automobil-Industrie meistern.

Beide Tarifpartner stimmen daher überein, dass diese Tarifrunde vor allem die Zukunft der Unternehmen und die Beschäftigung sichern muss. Angelique Renkhoff-Mücke, Verhandlungsführerin des vbm, begrüßte „die Bereitschaft der IG Metall, zu diesem Zwecke die ausgetrampelten Pfade zu verlassen und auf die üblichen Rituale in Tarifauseinandersetzungen zu verzichten“.

Sollte eine schnelle Einigung kommen, könnte ein neuer Tarifvertrag sogar schon vor Ende der Friedenspflicht am 28. April stehen.

Längere Laufzeit des Tarifvertrags erhöht Planungssicherheit für die Unternehmen

Damit die Unternehmen angesichts ihrer zahlreichen Herausforderungen möglichst langfristige Planungssicherheit bekommen, favorisieren die Arbeitgeber eine längere Laufzeit von fünf Jahren für den neuen Tarifvertrag inklusive eines fixen Gesamtprozentsatzes möglicher Entgeltbestandteile. Denn schon jetzt zeigt sich, dass die Unternehmen im Freistaat so verunsichert sind, dass sie ihre Investitionen an inländischen Standorten deutlich zurückschrauben. Dies ergab die jüngste Umfrage des vbm zur Konjunktur in der bayerischen M+E-Industrie. Auch der über viele Jahre andauernde Beschäftigungsaufbau in der Industrie ist vorbei.

Klarheit schaffen: Das soll die Tarifrunde 2020 für die Betriebe der bayerischen Metall- und Elektroindustrie.

Zudem rechnet die Mehrheit der Unternehmen damit, dass die Schwächephase länger anhält – und nicht nur eine kurzfristige konjunkturelle Delle ist. Denn die Ursachen sehen sie vor allem in den zunehmenden Handelsbeschränkungen durch Protektionismus und De-Globalisierung, die die einzelne Firma nicht beeinflussen kann.

Und: Je nach Branche sind die Unternehmen unterschiedlich von den globalen und wirtschaftlichen Risiken betroffen. Wichtig ist daher, die sehr heterogene Unternehmenslandschaft im Freistaat in den Tarifverträgen abzubilden.

Klarheit schaffen: Das soll die Tarifrunde 2020 für die Betriebe der bayerischen Metall- und Elektroindustrie.

Die Lösungen müssen genauso für kleine Mittelständler wie für Großkonzerne passen. Sie müssen einen Automobilzulieferer im Technologiewandel genauso mitnehmen wie ein IT-Unternehmen, das bereits vorwiegend digitale Geschäftsmodelle anbietet.

Individuelle Lösungen für mehr Wettbewerbsfähigkeit

Der vbm setzt daher auf Tarifverträge, die einen Rahmen vorgeben, jedoch individuelle Lösungen zulassen, die vor Ort auf den jeweiligen Betrieb zugeschnitten werden können. Das schafft mehr Flexibilität – die es den Betrieben erleichtert, im Wettbewerb zu bestehen. Das wiederum stärkt die existenzielle Sicherheit der Unternehmen. Aus dieser gesicherten Position heraus können die Betriebe ihrer unternehmerischen Aufgabe nachkommen, den Wandel zu gestalten und damit Innovationen und zukunftsfähige Geschäftsmodelle voranzutreiben. Was dafür nötig ist, weiß jedes Unternehmen selbst am besten. Auch der Arbeitgeberverband kann in den Tarifverhandlungen – schon aus rechtlichen Gründen – keine verbindlichen Zusagen zu unternehmerischen Entscheidungen machen. Eine Beschäftigungssicherung muss, wenn überhaupt, eine freiwillige Entscheidung der Arbeitgeber sein.

Was das Entgelt für die Beschäftigten angeht: Von der fast zehnjährigen Konjunkturphase haben die Mitarbeiter der M+E-Industrie überdurchschnittlich profitiert. Die Tarifentgelte sind um 30 Prozent gestiegen – während die Produktivität in der M+E-Industrie im selben Zeitraum nur um 3 Prozent zulegte! Das bedeutet einen Anstieg der Lohnstückkosten um 8 Prozent.

Dadurch hat die heimische Industrie im Vergleich zu den Wettbewerbern im Ausland die höchsten Arbeitskosten. Dies kann nicht allein durch innovative und bessere Produkte, mit denen höhere Preise erzielt werden können, aufgefangen werden. Denn auch internationale Wettbewerber stellen immer bessere Produkte mit vergleichbarer Qualität her, aber eben zu deutlich niedrigeren Lohnstückkosten. Noch weiter darf sich diese Schere nicht öffnen.

Das „Stillhalteabkommen“ – wie von der Gewerkschaft vorgeschlagen – wäre einschließlich eines Kostenmoratoriums daher eine vernünftige Entscheidung mit Zukunftsperspektive. Denn dass Ziel muss sein: mehr Wettbewerbsfähigkeit für den Standort Bayern – und damit Unternehmens- und Beschäftigungssicherung für die derzeit 870.000 Beschäftigten der bayerischen Metall- und Elektroindustrie.