Frankfurt/Ankara. Im Machtzentrum der Türkei überschlagen sich die Ereignisse: Erst trat Berat Albayrak, Schwiegersohn und potenzieller politischer Erbe Präsident Erdogans, Knall auf Fall als Finanzminister zurück. Eilig installierte Recep Tayyip Erdogan daraufhin einen neuen Finanzminister und vor allem einen neuen Chef der türkischen Zentralbank: Naci Agbal legt nun eine 180-Grad-Wende in der türkischen Zinspolitik hin, die großes Aufsehen an den Finanzmärkten erregt.
Mit seiner Entscheidung, den Leitzins deutlich anzuheben und Kredite zu verteuern, konnte Agbal den dramatischen Verfall der türkischen Lira einstweilen stoppen. So verschafft er den vielen türkischen Unternehmen etwas Luft, die sich in ausländischen Währungen verschuldet haben und deren Verbindlichkeiten mit jeder Lira-Abwertung teurer werden.
Diplomatischer Streit belastet die Wirtschaft
Diese Entscheidung war aus Sicht von Investoren und Bankern zwar überfällig, jedoch: „Solange Zweifel an einer erneuten Kehrtwende des Staatspräsidenten und seiner Zentralbank nicht restlos ausgeräumt sind, dürften internationale Investoren vorsichtig agieren“, sagt Sören Hettler, Analyst der DZ-Bank. Zu oft hatte sich Erdogan, der Zinsen verteufelt, in die Entscheidungen der Notenbank eingemischt. Das weitere Aufwertungspotenzial der Lira sei „vorerst begrenzt“, so der Analyst.
Nicht weniger wichtig als eine unabhängige Notenbank ist aus Hettlers Sicht vor allem ein Ende der diplomatischen Auseinandersetzungen. Doch Ankara streitet nicht nur mit dem EU- und Nato-Partner Griechenland über Gebiete im östlichen Mittelmeer. Auch mit den USA und Russland liegt man über Kreuz. Diese unberechenbare Außenpolitik bleibt eine schwere Hypothek für die türkische Wirtschaft.