Köln. So konzentriert sind vielleicht sonst nur Fluglotsen. Oder Formel-1-Fahrer am Start. So konzentriert wie Alexander Klima, wenn er ein Schweiß- oder Schleifgerät in der Hand hat. Dann könnte man meinen, sein Arm habe eine natürliche Verlängerung. Die ganze Bewegung ist wie aus einem Guss.

Woher dieses besondere Talent kommt? Er wolle halt immer „zur vollen Zufriedenheit der Kunden und seines Arbeitgebers Ergebnisse abliefern“, erklärt der 53-Jährige bescheiden. Ob er aus einer Eigenschaft, die gemeinhin als „Behinderung“ gilt, hier sogar einen Vorteil gewinnt, wagt er nicht zu sagen.

Alexander Klima ist gehörlos. Und vielleicht verschafft ihm ja das die besondere Konzentrationsfähigkeit. Die Möglichkeit, sich ganz auf das optische Ergebnis zu fokussieren.

Schweißen und Schleifen sind zwar keine ungewöhnlichen Jobs in einem Indus-triebetrieb. Allerdings: Klima wird immer da gebraucht, wo es eigentlich nicht mehr geht. Wo Schweißnähte zwischen großen Metallplatten unsichtbar werden müssen. Oder Schleifarbeiten so heikel sind wie die Diamantbearbeitung beim Juwelier.

Seit 30 Jahren arbeitet Klima, der im tschechischen Marienbad geboren ist, beim Kölner Spezialfassadenhersteller Pohl. Dort gibt es keine Fließbandarbeit, sondern nur individuelle Anfertigung – zuletzt waren das zum Beispiel drei Millimeter dünne Aluminium-Paneele für einen neuen Flughafen im zentralasiatischen Land Turkmenistan. Gesamtfläche der Paneele: 32.000 Quadratmeter.

Bei Pohl (die Firmengruppe hat rund 600 Mitarbeiter) entstehen vor allem Fassaden-Elemente. Und auf Wunsch praktisch alles, was man aus Metall für Bauten herstellen kann.

Klima ist gelernter Blechschlosser. Das klingt aber viel zu grobschlächtig für das, was er tut. Demnächst arbeitet er etwa an einem großen Schreibtisch für das Foyer des Rockefeller Centers in New York. Dessen Oberflächen sollen aus Messing mit einer Stärke von ganzen zwei Millimetern sein. „Das wird mit Sicherheit schwierig“, erklärt Klima.„Die Kupferlegierung ist recht weich – und reagiert deshalb besonders empfindlich auf die Bearbeitung.“

In seinem Job ist auch Geduld gefragt. Etwa bei den Edelstahlblechen, die er Zentimeter für Zentimeter für die Fassade des One World Trade Centers in New York bearbeitet hat und deren Oberflächen ebenfalls nur zwei Millimeter dick sind. Oder das zwölf mal sechs Meter große Fassadenteil für das Rockefeller Center, an dem er wochenlang gearbeitet hat.

Dass er nicht hören kann? Für die Kollegen kein Problem. „Sie sprechen langsam und deutlich, sodass ich alles ablesen kann. Und ein paar Gebärden haben sie auch gelernt.“

Bis es Routine war für die anderen, Klima immer anzuschauen, wenn sie ihm etwas sagen – das hat natürlich gedauert. Alle mussten ausprobieren, wie man sich am besten verständigt. Das ist sowieso das, was Klima am liebsten macht: Ausprobieren, die optimale Lösung finden. „Basteln“ nennt er das. Man könnte auch Kunst sagen.

Kein Vogelgezwitscher, kein Kinderlachen, kein Straßenlärm: Rund 80.000 Menschen in Deutschland nehmen die Welt ohne Laute wahr – sie sind gehörlos. Weitere 140.000 Bürger sind so schwerhörig, dass sie einen Gebärdensprach-Dolmetscher brauchen. Gebärdensprachen bestehen aus Handzeichen sowie aus Mimik und Körperhaltung.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Ich war immer schon interessiert an handwerklicher Arbeit, vor allem mit Metall. Deshalb habe ich Blechschlosser gelernt.

Was reizt Sie am meisten?

Die Vielseitigkeit. Dadurch wird es nie langweilig, und die Umsetzung anspruchsvoller Aufgaben ist besonders spannend. Ich hoffe, dass ich noch viele besondere Projekte machen kann.

Worauf kommt es an?

Vor allem auf saubere und akkurate Arbeit. Das ist ein Anspruch, den ich auch an mich selbst stelle.

80.000 Gehörlose

Kein Vogelgezwitscher, kein Kinderlachen, kein Straßenlärm: Rund 80.000 Menschen in Deutschland nehmen die Welt ohne Laute wahr – sie sind gehörlos. Weitere 140.000 Bürger sind so schwerhörig, dass sie einen Gebärdensprach-Dolmetscher brauchen. Gebärdensprachen bestehen aus Handzeichen sowie aus Mimik und Körperhaltung.