Zerstörung, Leid, Verzweiflung – manche mögen gar nicht mehr in die Zeitung oder in die Fernsehnachrichten schauen. Die Krisen machen Angst, einige Menschen zieht das richtig runter. Wie man trotzdem die Zuversicht bewahrt, erklärt im Gespräch mit aktiv der Psychologe und Angstforscher Professor Jürgen Margraf von der Ruhr-Universität Bochum.

So viele schlechte Nachrichten, wie geht man damit am besten um?

Scrollen Sie nicht ständig im Smartphone nach neuen, meist schlechten Nachrichten. Dieses Doomscrolling, diese Überladung mit Informationen tut nicht gut. Informieren Sie sich einmal am Tag ausführlich, das reicht. Und nutzen Sie dafür Qualitätsmedien, also Tageszeitungen oder öffentlich-rechtliche Rundfunksender. Die ordnen die Informationen meist auch ein. Vermeiden Sie den Nachrichtenkonsum in sozialen Medien möglichst.

Ist das so einfach? Weniger aufs Handy schauen, und es geht einem besser?

Ja. Wir haben das in einer Studie mit Facebook-Nutzern untersucht. Die sind im Schnitt drei- bis dreieinhalb Stunden am Tag in Facebook unterwegs und davon oft bedrückt. Für unsere Studie haben sie den Konsum um täglich eine halbe oder eine Stunde verringert. Schon in der zweiten Woche hatten sie weniger Angst und Stresssymptome und waren weniger depressiv. Der Effekt war so deutlich, dass die Teilnehmer freiwillig weiter reduzierten.

Die Krisen sind aber real. Was macht das mit den Leuten?

Manche Menschen fühlen sich dadurch hilflos. Es beeinträchtigt ihr Gefühl, ihre Einschätzung, die wichtigen Dinge im Leben unter Kontrolle zu haben. Und das führt zu Verunsicherung, aber nur bei einer Minderheit. Mehr als die Hälfte der Befragten sagt in einer aktuellen Umfrage unseres Deutschen Gesundheitsbarometers: Wir meistern die Krisen! 

Aber wie geht das? Wie kommt man mit den Krisen besser zurecht?

Seien Sie aktiv. Alles, was Sie aktiv tun können, hilft. Treiben Sie Sport, fahren Sie Rad, joggen Sie. Es gibt viele Arten, aktiv zu sein, da gibt es nicht die eine Lösung. Sie können bei einer Tafel Bedürftigen helfen, oder Sie reden mit anderen über Politik, treten vielleicht in eine Partei ein. Alles ist in so einer Situation gut, was Sie mit anderen Menschen oder für andere tun können.

Was bringt mir das?

Sie fühlen sich dann deutlich besser. Aktiv sein erhöht das Gefühl von Kontrolle, das Gefühl, Dinge im eigenen Umfeld beeinflussen und bewegen zu können. Wer die Einschätzung hat, dass er Kontrolle über die Dinge hat, der kann unglaublich viel aushalten. Der kann viel Stress vertragen. Wer das Gefühl nicht hat, den macht Stress krank.

Was kann man noch tun, um seine Zuversicht zu stärken?

Erinnern Sie sich an zwei, drei große Herausforderungen in Ihrem Leben, die Sie bewältigt haben. Was haben Sie damals gemacht? Wie haben Sie das angepackt? Wie gemeistert? Diese Erinnerung stärkt Ihre Überzeugung, Herausforderungen gewachsen zu sein. Und sie steigert Ihr Selbstbewusstsein.

Hilft es auch, mit anderen Menschen etwas gemeinsam zu tun?

Unbedingt. Wir Menschen sind eigentlich Herdentiere, Gruppenwesen. Gemeinsam fühlen wir uns stark und sicher. Und wir brauchen den direkten Austausch mit Freunden, Verwandten und Bekannten, im Verein, im Sportklub, bei der Musiksession, beim Feiern. Diese Face-to-Face-Kontakte haben wir durch die sozialen Medien heute weniger. Das zieht uns runter. Wenn das bei Ihnen so ist, unbedingt ändern!

Wenn ich häufig den Blues habe, woran kann ich erkennen, dass mehr dahintersteckt?

Da gibt es drei Anzeichen: Sie leiden stark, Sie können Ihre Aufgaben im Job oder Alltag nicht mehr richtig bewältigen, und Sie verlieren das Interesse an Dingen, die Ihnen sonst Freude bereitet haben. Ist das der Fall, suchen Sie sich Hilfe bei einem Therapeuten. Aber: Sorgen oder Hilflosigkeit wegen der Krisen sind noch keine psychische Erkrankung.

Hans Joachim Wolter
aktiv-Redakteur

Hans Joachim Wolter schreibt bei aktiv vor allem über Klimaschutz, Energiewende, Umwelt, Produktinnovationen sowie die Pharma- und Chemie-Industrie. Der studierte Apotheker und Journalist begann bei der Tageszeitung „Rheinpfalz“ in Ludwigshafen und wechselte dann zu einem Chemie-Fachmagazin in Frankfurt. Wenn er nicht im Internet nach Fakten gräbt, entspannt er bei Jazz-Musik, Fußballübertragungen oder in Kunstausstellungen.

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