Berlin/Ketzin. Lange war es ruhig um das Thema, jetzt hat Bundeskanzlerin Angela Merkel die Technik wieder ins Spiel gebracht: das unterirdische Wegspeichern des Klimagases Kohlendioxid (CO2). Umweltministerin Svenja Schulze spricht sich dafür aus, die Chancen neu zu bewerten: „Die Debatte muss sein.“
Hintergrund dieses Vorstoßes: Kanzlerin Merkel hat im Mai vor internationaler Runde vorgeschlagen, dass Deutschland bis 2050 „klimaneutral“ sein wird, dann also im Saldo gar keine Treibhausgase mehr ausstoßen soll. Das ginge deutlich über das bisherige Ziel der Bundesregierung hinaus, den Klimagasausstoß bis zur Jahrhundertmitte auf 5 bis höchstens 20 Prozent des Standes von 1990 zu verringern.
Merkels neues Ziel ist extrem ambitioniert, so Oliver Geden von der Stiftung Wissenschaft und Politik, der auch Leitautor beim Weltklimarat ist. „Denn es wird sicher Restemissionen geben, die wir nicht zu vertretbaren Kosten vermeiden oder verringern können. Diese Restemissionen, etwa aus der Zement-Industrie, müssen wir wegspeichern können, wenn wir 2050 klimaneutral sein wollen.“
Zwar nehmen auch Wälder, Bäume und Pflanzen Kohlendioxid auf. Aktuell speichern sie bei uns 15 Millionen Tonnen pro Jahr, so Geden. Aber selbst bei strengstem Klimaschutz würden 2050 noch etwa 60 Millionen Tonnen Ausstoß bleiben. Selbst verdoppelte Waldflächen dürften da also nicht reichen. Also wird man Kohlendioxid aus Abgasen abtrennen, auffangen und speichern müssen: Englisch heißt das „Carbon Capture and Storage“, kurz CCS.
Umweltschützer lehnen die Technik bisher ab. Sie warnen vor einer „Zeitbombe im Boden“, befürchten, dass das (nicht ganz ungefährliche) Gas wieder austreten könnte.
Solche Sorgen müsse man ernst nehmen, findet die Wissenschaftlerin Cornelia Schmidt-Hattenberger. Die Expertin vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam ist aber überzeugt: „Wenn ein CO2-Speicher entsprechend den Sicherheitsauflagen angelegt wird, dann ermöglicht er eine sichere Speicherung.“ Schmidt-Hattenberger muss es wissen – sie war beim deutschen Speicherversuch für Klimagas im brandenburgischen Ketzin von Anfang an dabei!
67.000 Tonnen CO2 wurden dort von 2008 bis 2013 in 630 Meter Tiefe in porösen Sandstein gepresst. „Undichtigkeiten gab es beim Speicherversuch nicht“, sagt die Expertin. Auch bei den derzeit an 38 Standorten betriebenen unterirdischen Speichern, in denen hierzulande große Mengen Erdgas bevorratet werden, wird die Technologie sicher angewendet.
Vier Mechanismen sorgen für die sichere Lagerung: Hunderte Meter Deckgestein mit eingelagerten gasdichten Schichten wie Ton- oder Salzgestein dichten nach oben hin ab. Sogenannte Kapillarkräfte halten das Gas fest im porösen Speichergestein, so wie ein Schwamm Wasser aufsaugt und hält. Zudem löst sich das Kohlendioxid im Porenwasser des Speichergesteins, wo es in längeren Zeiträumen in Verbindung mit Kalzium und Magnesium ausfällt und Karbonat-Gestein bildet. Anfänge davon habe man in Ketzin bereits nach neun Jahren beobachtet.
Speicherkapazität gibt es in Deutschland genug. Laut der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe könnten geeignete Gesteinsschichten problemlos 50 bis 70 Millionen Tonnen Klimagas im Jahr aufnehmen. Übrigens: Norwegen hat seit 1996 bereits 20 Millionen Tonnen CO2 aus der Erdgasförderung an seiner Küste verpresst. Jetzt schmiedet das Land Pläne für riesige Speicher unter der Nordsee. Langfristig wollen die Norweger damit Geld verdienen.