Eine Ausbildung bei Rüggeberg beginnt in den Bergen. Nicht in den Hügeln des Oberbergischen, wo der Werkzeughersteller – Markenname PFERD – seit 127 Jahren seinen Sitz hat, sondern in den österreichischen Alpen. Klettern, wandern, Lagerfeuer. Die erste Woche als Azubi dient dem Beschnuppern, dem Kennenlernen.
So ist es heute, und so war es auch schon vor vielen Jahrzehnten, als noch kein Mensch den Begriff Teambuilding kannte. Vor 22 Jahren war auch Daniel Gerz als Frischling dabei, damals ging es noch zum Segeln nach Holland. Die erste Woche in der Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker fand also auf einem Boot statt.
Dieses Jahr fährt Gerz wieder mit, als Leiter Ausbildung des Standorts Marienheide mit seinen rund 900 Beschäftigten. Vom eher mittelprächtigen Realschulabschluss, wie er selbst sagt, über die Ausbildung zum Zerspanungsmechaniker, die Weiterbildung zum Industriemeister und Stationen als technischer Ausbilder und technischer Ausbildungsleiter wurde er zum Gesamtverantwortlichen für rund 60 Azubis, einschließlich derer im kaufmännischen Bereich. Und das mit 39 Jahren.
Firma ermöglicht die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
So etwas nennt man eine Karriere. Doch wie ein Karrieretyp nach dem Klischee wirkt Gerz ganz und gar nicht. Ein heimatverbundener Familienmensch mit vier Kindern, zwischen zwei und zwölf Jahre alt. Da dürfte einiges los sein. Ohne eine „starke Frau“, wie Gerz schlicht und deutlich sagt, undenkbar, natürlich. Aber auch undenkbar ohne ein Unternehmen, das Flexibilität ermöglicht und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie aktiv fördert. Die von Rüggeberg initiierte und geförderte Kita haben schon drei der Gerz-Kinder besucht, und das vierte wohl bald auch.
„Azubis sind ja auch unsere Botschafter“
Daniel Gerz, Leiter Ausbildung
Zeit für anderes bleibt da wohl kaum? Doch: Daniel Gerz engagiert sich für das Thema Ausbildung über den eigenen Betrieb hinaus. Er ist seit Jahren ehrenamtlich in zwei Prüfungsausschüssen der Industrie- und Handelskammer Köln aktiv, zu deren Bezirk auch der Oberbergische Kreis hört. Er ist damit einer von rund 5.000 Prüferinnen und Prüfern, die mit dafür sorgen, dass die Industrie in der Region gut qualifizierten Nachwuchs bekommt – was in Zeiten des Fachkräftemangels immer schwieriger wird.
Das spürt man auch bei Rüggeberg. Zwar findet die Firma auch heute immer noch genug talentierte junge Leute, aber dafür muss viel mehr getan werden als früher. Dazu gehört aktives Ausbildungsmarketing auf Messen, in Schulen, über Social Media – mit einem eigenen Azubi-Kanal auf Instagram – und sogar Kinospots. Eigene Azubis gehen als Botschafterinnen und Botschafter in Schulen, um auf Augenhöhe mit den Schülerinnen und Schülern über den Alltag einer Ausbildung zu sprechen. Auch mit einem erfolgreichen Influencer hat Rüggeberg schon zusammengearbeitet, um junge Menschen zu erreichen.
Ausbildungswerkstatt auf neuestem Stand
Ein tonnenschweres Symbol dieser modernen Unternehmenskultur und zugleich der großen Industrietradition steht gleich am Eingang der rund 800 Quadratmeter großen Ausbildungswerkstatt: ein Thron aus Feilen, dem allerersten Produkt der Firma, nachempfunden dem Thron aus Schwertern in der Serie „Game of Thrones“.
Die Werkstatt, in der die gesamte Produktion – von der Fräsmaschine über den Industrieroboter bis zum 3-D-Drucker – abgebildet ist, wurde immer wieder erweitert. „Schon als ich aus der Schule kam, war sie ein Aushängeschild für die Firma“, berichtet Gerz.
Bekannt war in der Region auch die Reise zum Start in die Ausbildung. Da sind immer auch die Azubis aus dem zweiten Jahr dabei, als Mentoren für die Neulinge, als Bindeglied zu den Ausbildern. Teambuilding, Onboarding, heißt das heute. „Bei Rüggeberg hat man das vor 60 Jahren schon gemacht, einfach so“, sagt Daniel Gerz.
Das Unternehmen
- Die August Rüggeberg GmbH & Co. KG, die unter dem Markennamen PFERD ihre Werkzeugpro- dukte für Industrie und Handwerk vertreibt, ist ein Familienunternehmen.
- Marienheide ist Standort für Verwaltung, Logistik, Fertigung, Forschung und Entwicklung.
- Daneben gibt es international 22 Tochtergesellschaften, darunter Werke in den USA, in Spanien, Südafrika und China.
- Die Firma hat rund 1.950 Beschäftigte weltweit.
Nachgefragt
Daniel Gerz, Leiter Ausbildung
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich wollte etwas Technisches machen, am liebsten in Richtung Elektronik. Schließlich habe ich mich eher für die Firma wegen des guten Rufs der Ausbildung hier als für einen bestimmten Beruf entschieden.
Was reizt Sie am meisten?
Die Zusammenarbeit in einem sehr guten Team.
Worauf kommt es an?
Man muss auch gönnen können – also Möglichkeiten für andere schaffen, sich weiterzuentwickeln.
Werner Grosch war lange Jahre leitender Redakteur einer Tageszeitung mit den Schwerpunkten Politik und Wirtschaft. Für aktiv schreibt er Reportagen aus Unternehmen der Metall- und Elektrobranche und porträtiert Mitarbeiter aus diesen Branchen mit ihren ungewöhnlichen Fähigkeiten oder Hobbys. Privat und beruflich ist er am liebsten mit dem Rad unterwegs.
Alle Beiträge des Autors