Bergisch Gladbach. Anmutig und unverdächtig liegt das schlanke Bauwerk mit der filigranen Seilkonstruktion über Deutschlands längstem Strom. Dabei ist es völlig marode. Die Autobahnbrücke über den Rhein bei Leverkusen wurde zum traurigen Symbol für die bröselnde Infrastruktur der Republik. Die Brücke ist so verschlissen, dass sie einem Neubau weichen muss.

Ab Ende 2024 auf acht Spuren über den Rhein

Nach zähem Ringen und zwei Klagen beim Bundesverwaltungsgericht erfolgte im Dezember 2017 der Spatenstich: Bis Ende 2020 wird eine erste Brücke über den Rhein geschlagen, vier Jahre später soll parallel dazu die zweite fertig sein. Dann wird man den Rhein auf acht Spuren passieren können.

Endlich wieder freie Fahrt auf Deutschlands Fernstraßen – davon träumen die Autofahrer. „Doch der Reparaturbedarf ist so immens, dass wir noch viele Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte, in fetten Staus stehen werden“, sagt Professor Martin Mertens, Experte für Baustatik und Brückenbau an der Hochschule Bochum.

39.562 Brücken an Autobahnen und Bundesstraßen

Laut neuesten Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen vom September 2017 ist jede achte der bundesweit 39.562 Fernstraßenbrücken in einem „nicht ausreichenden“ oder „ungenügenden“ Zustand. Dann ist, erklärt die Behörde in Bergisch Gladbach bei Köln, „die Standsicherheit oder Verkehrssicherheit nicht mehr gegeben“.

Das sei zwar kein Grund zur Panik, denn auch fehlende Gitterstäbe im Geländer oder schadhafte Abdichtungen können der Grund für die schlechte Beurteilung sein. Trotzdem herrscht in solchen Fällen dringender Handlungsbedarf – um eine Sperrung zu verhindern.Es kann dann aber auch schon zu spät sein für eine Sanierung, wie das Beispiel Leverkusen zeigt. Die Schäden im Bauch der Stahlkonstruktion sind so groß, dass ein Abriss des über 50 Jahre alten Bauwerks unausweichlich ist.

Deutschlandweit gibt es zahlreiche Wackelkandidaten

Und beim Abbruch dieser Hängebrücke – darüber führt die viel befahrene Nord-Süd-Achse A 1 – dürfte es nicht bleiben. Es gibt viele Wackelkandidaten. Auch die A 40-Rheinbrücke Neuenkamp bei Duisburg muss langfristig ersetzt werden. Ebenso auf der Abrissliste stehen die marode Neckar-Brücke bei Neckarsulm, die für den Ausbau der A 6 weichen muss – sowie die Schiersteiner Brücke (A 643) zwischen Mainz und Wiesbaden.

Am schlimmsten allerdings ist die Lage entlang der A 45, einer weiteren wichtigen Nord-Süd-Trasse, die durch Nordrhein-Westfalen und Hessen verläuft. Hier müssen für den sechsspurigen Ausbau alle Talbrücken ersetzt oder saniert werden. Kosten des Mammut-Projekts: 3,6 Milliarden Euro. 2,1 Milliarden davon für die Brücken.

Stark gestiegener Verkehr hat Bauwerke mürbe gemacht

Und nicht nur auf dieser Strecke sind viele Überführungen durch den stark gestiegenen Verkehr mürbe geworden. Das Gros wurde im Westen Deutschlands in den 1960er und 70er Jahren hochgezogen – fast jede zweite Brücke stammt aus dieser Zeit. Immerhin nimmt der Bund jetzt jährlich mehr Geld in die Hand, um marode Fahrbahnen und kaputte Brücken auf Vordermann zu bringen. Flossen 2010 lediglich 5,1 Milliarden Euro in die deutsche Fernstraßen-Infrastruktur, waren es 2016 schon 6,2 Milliarden Euro. In diesem Jahr sollen die Investitionen auf 7,2 Milliarden Euro steigen.

Nach Abzug der Preissteigerung sieht das allerdings nicht so rosig aus: „Die Baupreise gehen derzeit durch die Decke“, sagt Thomas Puls, Verkehrsexperte beim Institut der Deutschen Wirtschaft: „Die Betriebe können sich vor Aufträgen kaum retten – das nutzen sie aus.“ Zuletzt legten die Baupreise doppelt so stark zu wie die Verbraucherpreise.

In den Straßenbaubehörden fehlen Hunderte Fachleute

Und selbst, wenn Geld in Hülle und Fülle da wäre, ginge es mit der Sanierung nicht unbedingt viel schneller. In den Straßenbaubehörden fehlen Hunderte Ingenieure für Planung und Umsetzung. „Da wurde früher zu viel Personal abgebaut“, so Puls, „das rächt sich nun.“ Hinzu kommt, dass 30 Prozent der Planungsingenieure in den nächsten zehn Jahren in Rente gehen. Nachwuchs ist rar, zumal der öffentliche Dienst im Vergleich zur freien Wirtschaft schlechter bezahlt. Nicht mal jeder zehnte Fachmann in den Behörden ist unter 35.

Ein Bundesland steht trotz Personalnot recht gut da: Bayern. Weil der Freistaat aus dem eigenen Haushalt vorausschauend viel Geld für die Planung von Fernstraßen bereitstellt. „Die Behörden haben immer viele baureife Projekte in der Schublade“, so Puls.

Können andere Länder mangels Planungskapazitäten nicht alle Mittel vom Bund abrufen, verbauen halt die Bayern das Geld. Puls: „Mit ein Grund dafür, dass Bayern in Sachen Infrastruktur so gut vorankommt.“