Herborn/Immenhausen. „Was sich die IG Metall da vorstellt und wie man das realisieren soll – das ist für mich ein Rätsel.“ So sagt es Sascha Korupp, technischer Leiter und Prokurist bei der Herborner Pumpentechnik im mittelhessischen Herborn. Er meint auch die happige Lohnforderung, die nun auf dem Tisch liegt, vor allem aber die Forderung nach individueller Arbeitszeitverkürzung auf bis zu 28 Stunden.
Und der Ingenieur wird da schnell deutlich: „Alles, was aktuell das Arbeitszeitvolumen im Betrieb weiter reduziert, ist einfach Mist! Weil es die Arbeit hier unnötig verteuert – und wir dieses Geld viel lieber in die weitere Modernisierung des Unternehmens stecken würden.“ Schon jetzt sei es eine ständige Herausforderung, die schwankenden Auftragseingänge mit der normalen Belegschaft – knapp 140 Mitarbeiter – zu bewältigen.
Der Fachkräftemangel sei durch die „Rente mit 63“ noch unnötig verschärft worden, hat der Mann aus der Pumpentechnik beobachtet. Dazu kämen die gesetzlichen Ansprüche auf Teil-, Eltern- und Pflegezeit. Ergebnis: „Es fehlen uns schon jetzt Mitarbeiter, die wir am Arbeitsmarkt derzeit aber gar nicht kriegen können. Damit die Arbeit getan wird und die Kunden zufrieden sind, muss mehr organisiert werden – viele Kollegen jonglieren da richtig.“
Eigentlich, so Korupps Fazit, müssten die verbliebenen Kräfte eher mehr Stunden leisten und nicht etwa weniger, um die Aufträge auch weiterhin bewältigen zu können.
Ähnlich sieht das Carsten Rahier, geschäftsführender Gesellschafter der sera-Gruppe im nordhessischen Immenhausen. Die produziert mit 220 Mitarbeitern Maschinen und Anlagen rund ums Dosieren, Fördern und Verdichten von Flüssigkeiten und Gasen. „Was die IG Metall fordert, würde den Fachkräftemangel weiter verschlimmern“, betont Rahier. „Und sich sehr nachteilig sowohl für die Unternehmen auswirken als auch für die vielen Beschäftigten – die so ein Reduzierungsbedürfnis überhaupt nicht haben. Die aber dann die Arbeit der fehlenden Kollegen in irgendeiner Form kompensieren müssten.“
Viele wollen mehr arbeiten als 35 Stunden pro Woche
Wobei der Unternehmer mehr Flexibilität „grundsätzlich positiv“ sieht – aber: „Die Menschen in den Unternehmen sollten dies verantwortungsvoll auf der betrieblichen Ebene je nach Bedürfnissen der Arbeitnehmer und der Unternehmen vereinbaren.“ Viele Mitarbeiter würden je nach Lebensphase „selbstbestimmter“ arbeiten wollen – und auch mehr als 35 Stunden pro Woche.
Rahier hat den Eindruck, dass die IG Metall „den Begriff Flexibilität leider nur einseitig und ausschließlich zulasten der Unternehmen“ auslegt. Die Forderung nach einer 28-Stunden-Woche sei realitätsfern, warnt er: „Sollte sich die Gewerkschaft auch nur ansatzweise damit durchsetzen, sind eine steigende Tarifflucht und die Verlagerung von weiteren Arbeitsplätzen ins Ausland zu befürchten.“
Wobei auch in mittelständischen Betrieben die Wünsche nach sozusagen maßgeschneiderten Arbeitszeiten weitgehend berücksichtigt werden. Sofern es eben der jeweilige Arbeitsplatz zulässt. Jeanine Weygand ist dafür ein typisches Beispiel. 1999 startete sie ihr Berufsleben als Auszubildende in der Herborner Pumpentechnik, bildete sich dann zur Technikerin weiter. Inzwischen arbeitet sie in der technischen Dokumentation: Sie kümmert sich zum Beispiel um die Erfassung und Zusammenstellung von Dokumenten, die dann zusammen mit den Pumpen an die Kunden geliefert werden, sie erstellt Datenhefte und Prospekte.
Mit der Geburt ihres ersten Kindes verringerte Weygand ihre Arbeitszeit auf zehn Stunden pro Woche, die sie zum Teil sogar im Homeoffice leisten konnte. Nach der Geburt des zweiten Kindes machte sie ein Jahr komplett Familienpause und kam dann auf eine Teilzeitstelle zurück. Inzwischen – die Kinder gehen jetzt in Kindergarten und Schule – hat sich ihre Arbeitszeit auf 23 Stunden in der Woche eingependelt.
Die Arbeit muss getan werden, damit die Kunden zufrieden sind
„Ich wollte einfach gerne im Beruf bleiben, obwohl es nicht immer einfach ist, Familie und Job unter einen Hut zu bringen“, erklärt die junge Mutter, die sich ausdrücklich für die „tolle Unterstützung“ seitens der Firma bedankt. Eine Rückkehr zur Vollzeit kann sie sich gut vorstellen – „aber dafür müssen meine Kinder noch ein bisschen älter und selbstständiger sein“.
Für Prokurist Korupp ist klar: Eine derartige Unterstützung familiärer Bedürfnisse wird auch künftig geleistet, so gut es eben geht. „Aber die Unternehmen müssen die Entscheidungshoheit behalten und dürfen nicht noch weitere Pflichten aufgebürdet bekommen. Letztlich muss die Arbeit getan werden, damit die Kunden zufrieden sind.“

Interview mit dem Verhandlungsführer der Arbeitgeber bei M+E

Frankfurt. Mitte November starten die Tarifverhandlungen für die 400.000 Beschäftigten von M + E Mitte, Tarifgemeinschaft der Metall- und Elektro-Industrie in Hessen, der Pfalz, in Rheinland-Rheinhessen und im Saarland. AKTIV sprach mit Thomas Brunn, dem Verhandlungsführer der Arbeitgeber. Der promovierte Jurist ist Personaldirektor von General Electric Deutschland.
Rechnen Sie mit einer harten Tarifrunde 2018?
Einfach wird sie in jedem Fall nicht. Ich war schon erstaunt, dass die IG Metall ausgerechnet jetzt das Thema Arbeitszeit bringt. Hohe Entgeltforderungen, das kennen wir ja. Aber genau dann eine „28-Stunden-Woche“ ins Spiel zu bringen, wenn immer mehr Betriebe große Probleme haben, ihre Stellen überhaupt zu besetzen – das ist schon stark …
Passt diese Idee zu dem, was Sie in den Betrieben hören?
Nein, ganz und gar nicht. Mitarbeiter wollen gute Arbeit machen und gut verdienen. Viele wollen daher gerne mehr als 35 Stunden machen! Wer aus familiären Gründen weniger arbeiten möchte, kann das ja tun, der Gesetzgeber hat das doch schon geregelt. Außerdem bieten unsere Firmen in der Regel aus eigenem Antrieb sehr flexible Lösungen an, weil sie ihre Leute halten wollen. Fakt ist: Wir brauchen mehr statt weniger Arbeitszeit.
Wie sieht es beim Geld aus?
Unserer Branche geht es gut, das soll auch so bleiben. Dafür muss man aber Maß halten! Bei den Arbeitskosten gehört Deutschland schon jetzt weltweit zu den Spitzenreitern. In den Firmen stehen außerdem gerade in den nächsten Jahren massive Investitionen an, um fit zu werden für die Digitalisierung und die Industrie 4.0. Auch die dafür nötige Weiterbildung der Mitarbeiter kostet einen Sack voll Geld. Und jeder Euro kann eben nur einmal ausgegeben werden.