Berlin. In der Metall- und Elektro-Industrie (M+E) sind sie besonders oft zu finden: Firmen, die im globalen Wettbewerb stehen – und sich deshalb ständig neu behaupten müssen. Gelingen kann das nur, wenn die Kosten am Standort D nicht aus dem Ruder laufen. Das beschäftigt Rainer Dulger gleich doppelt, als Unternehmer und als Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall. In AKTIV nimmt er Stellung zur Lage unseres wichtigsten Industriezweigs. Und sagt, was nötig wird, um die Arbeitsplätze zu sichern.

M+E beschäftigt aktuell rund 3,8 Millionen Menschen in Deutschland – so viele wie seit über 20 Jahren nicht mehr. Also alles prima?

Das ist eine sehr erfreuliche Entwicklung. Aber leider kein Freibrief für Höhenflüge. Die Unternehmen stellen nicht etwa ein, weil die Geschäfte so toll laufen, sondern vor allem, um sich mit Blick auf die demografische Entwicklung jetzt schon mal gute Mitarbeiter zu sichern.

Wie wächst denn das Geschäft?

Die M+E-Produktion hat 2015 wohl nur um 0,5 bis 0,8 Prozent zugelegt. Das ist bedauerlicherweise deutlich weniger, als wir zuvor erhofft hatten. Und für 2016 gehe ich allenfalls von einer Seitwärtsbewegung aus – wenn’s gut läuft. Da ist viel Skepsis, zum Beispiel wegen des schwächeren Wachstums in China und anderen Schwellenländern.

Aber die Unternehmen freuen sich doch über billiges Öl, niedrige Zinsen – und den starken Dollar, der deutschen Exporteuren hilft.

Alles richtig. Aber das kann sich alles ändern. Es bringt sozusagen einen Scheinaufschwung: Unsere Produkte sind in Übersee wettbewerbsfähiger, ohne dass wir was dafür getan haben – und das überspielt ein echtes Problem.

Nämlich?

Die deutschen Arbeitskosten laufen aus dem Ruder, sie steigen viel schneller als die Produktivität. Die Schere geht auseinander, und das gefährdet unsere Wettbewerbsfähigkeit. Diese Entwicklung sowie die viel zu hohen Energiekosten sind mitverantwortlich dafür, dass Investitionsentscheidungen inzwischen immer öfter zugunsten ausländischer Standorte fallen.

In der letzten Lohnrunde haben die Tarifparteien ja noch eine kräftige Schippe draufgelegt: 3,4 Prozent mehr Tarifentgelt.

Und das bei praktisch null Inflation. Das war also ein denkbar großes reales Plus für unsere Mitarbeiter. Aber ich muss selbstkritisch sagen: Damals haben wir den Bogen überspannt. Das lässt sich nicht annähernd wiederholen, das würde viele Betriebe völlig überfordern.

Was bedeutet das für die demnächst beginnenden Tarifverhandlungen?

Seit dem Ende der globalen Wirtschaftskrise 2008/2009 sind die Entgelte bei M+E um etwa 20 Prozent gestiegen – die Produktivität aber nur um etwa 2 Prozent! Dass das auf Dauer nicht gut gehen kann, sollte jeder einsehen. Der aktuelle Spielraum ist also äußerst gering. Entsprechend klug müssen wir nun handeln und einen fairen Ausgleich finden – der sich am Machbaren orientiert statt an abgehobenen Fantasievorstellungen. Und damit einen Ausgleich, der die Arbeitsplätze sicherer macht, statt sie zu gefährden.

Und wenn die Gewerkschaft da nicht mitspielt?

Ein „Weiter so“ würde den Trend, ins Ausland zu gehen, sicherlich beschleunigen. Das kann auch die IG Metall nicht wollen.

Werden Sie eigentlich nur übers Geld verhandeln?

Ich rechne mit einer reinen Entgeltrunde. Und das erlaubt es uns hoffentlich, endlich wieder flexible Elemente in den Flächentarifvertrag einzubauen – damit der überall zum betrieblichen Alltag passt.

Engagierter Familienunternehmer

  • Rainer Dulger (51) führt zusammen mit seinem Bruder das Unternehmen Prominent. Die Firmengruppe für Dosierung und Wasseraufbereitung hat rund 2.400 Beschäftigte, gut 600 von ihnen arbeiten am Stammsitz Heidelberg.
  • Dulger hat in Kaiserslautern studiert und später berufsbegleitend seinen Doktor der Ingenieurwissenschaften gemacht. Er ist verheiratet und Vater von zwei Kindern.
  • Seit 2012 ist der Unternehmer, der keiner Partei angehört, Präsident des Arbeitgeberdachverbands Gesamtmetall.