Stuttgart. Die Latte lag diesmal besonders hoch: Angesichts der stabilen Konjunktur ging es um eine angemessene Entgelt-Erhöhung – und überdies um das Reizthema Arbeitszeit. Doch die Arbeitgeber und die Gewerkschaft IG Metall haben gezeigt, wie man scheinbar unvereinbare Wünsche in einem eleganten Kompromiss zusammenbringt: Im sechsten Anlauf und nach teurem Warnstreik-Getöse gelang in Baden-Württemberg der Pilotabschluss für die Metall- und Elektro-Industrie.

Meilenstein in der Tarifgeschichte

Noch einmal 13 Stunden war in Stuttgart verhandelt worden, ehe kurz nach Mitternacht das fertige Tarifwerk vorlag, als Blaupause für die anderen Tarifbezirke. „Wir haben heute den Grundstein für ein flexibles Arbeitszeitsystem für das 21. Jahrhundert gelegt“, sagte anschließend der Präsident des Arbeitgeberdachverbands Gesamtmetall, Rainer Dulger. Der IG-Metall-Vorsitzende Jörg Hofmann sprach von einem „Meilenstein auf dem Weg zu einer modernen, selbstbestimmten Arbeitswelt“.

Der nun vereinbarte Tarifvertrag gilt bis Ende März 2020. Was bringt er wann und für wen?

Mehr Geld

Am 1. April steigen die Tarifentgelte um 4,3 Prozent. „Eine schmerzhafte Kostenbelastung“, so Dulger, „sie spiegelt aber die im Schnitt gute wirtschaftliche Lage unserer Branche wider.“ Für die Monate Januar bis März 2018 gibt es eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro.

2019 gibt es keine „normale“ Lohnerhöhung, dafür aber zwei neue, auf Dauer angelegte Sonderzahlungen. Zum einen fließt ab dann jedes Jahr im Juli ein „tarifliches Zusatzgeld“ (T-ZUG) in Höhe von 27,54 Prozent des jeweiligen Monatsentgelts. Zum anderen gibt es, ebenfalls jährlich, eine für alle gleich hohe Sonderzahlung (in Baden-Württemberg 400 Euro). Diese kann allerdings je nach wirtschaftlicher Situation des Betriebs verschoben, gesenkt oder gestrichen werden.

Zusätzliche freie Tage

Wenn Beschäftigte Kinder bis acht Jahre betreuen, enge Angehörige pflegen oder schon länger Schicht arbeiten, können sie ihr T-ZUG im Regelfall in acht freie Tage umwandeln. Das geht pro Kind oder Angehörigem aber nur zweimal. Den von der IG Metall angestrebten Teilentgeltausgleich gibt es nicht: „Wer weniger arbeitet, verdient auch weniger“ – das war den Arbeitgebern wichtig.

Auszubildende bekommen einen zusätzlichen freien Tag vor Abschlussprüfungen.

Weniger Wochenstunden

Tarifbeschäftigte können für 6 bis 24 Monate in Teilzeit (mindestens 28 Wochenstunden) gehen, mit Rückkehrrecht. Eine Ablehnung durch den Betrieb ist in bestimmten Fällen möglich.

Mehr Wochenstunden

Viele Beschäftigte dürfen ab 2019, bei entsprechend höherem Verdienst, mehr arbeiten: Auf Betriebsebene können dazu verschiedene Lockerungen der sogennanten 40-Stunden-Quote vereinbart werden; zudem gibt es die Option auf ein ganz neues Berechnungsmodell („kollektives betriebliches Arbeitszeitvolumen“). Und: Bis zu 50 auf Zeitkonten angesammelte Überstunden pro Jahr dürfen ausgezahlt werden.

Letztlich, so Dulger, werde nicht nur das durch Teilzeitwünsche entfallende Volumen ausgeglichen. Die Kapazitäten könnten bei Bedarf insgesamt erweitert werden: „Wir konnten genau die Flexibilisierung nach unten und nach oben vereinbaren, die wir angestrebt haben – ein großer Erfolg.“

Mehr Flexibilität nötig: Weitere Infos zum Arbeitszeitgesetz​​​​​​​ lesen Sie auf iwd.de.