München. Digitalisierung ist eine riesige Chance. Das zeigt die aktuelle Studie „Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung“ der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw). Die Ergebnisse stellte der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft nun im Rahmen eines Kongresses vor.

Durch digitale Techniken entsteht neue Wertschöpfung

Allein 2016 haben Unternehmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen in Deutschland durch Digitalisierung bereits eine Wertschöpfung von rund 200 Milliarden Euro erwirtschaftet.

Übertragen auf die Gesamtwirtschaft kommt eine Summe von 332 Milliarden Euro heraus: „Rund 12 Prozent der gesamten Bruttowertschöpfung“, rechnet Alfred Gaffal vor. Der vbw-Präsident sowie Professor Wolfgang A. Herrmann, Präsident der Technischen Universität München, sind gemeinsam Vorsitzende des Zukunftsrats.

Die neue Wertschöpfung entsteht, wenn Firmen die Chancen digitaler Technik nutzen: Menschen und Dinge vernetzen sich stärker, Produkte und Prozesse werden virtuell, Daten und Wissen werden ausgetauscht.

Laut Studie nehmen mit dem „digitalen Reifegrad“ der Firmen Mitarbeiterzahl und Umsatz zu. Und es ist unerheblich, aus welchem Zweig die Firma stammt: „Neue Trends der Digitalisierung, wie etwa die gestiegene Bedeutung von Plattformen, Veränderungen in den Wertschöpfungsketten oder die Auswirkungen auf die Arbeitswelt, gehen quer durch alle Branchen“, sagt Gaffal.

Dazu müssen Staat und Unternehmen noch Hemmnisse überwinden. Der Rat nennt tradierte Arbeitsweisen und Prozesse, Schnittstellen- und Kompatibilitätsprobleme sowie nicht ausreichend leistungsfähige digitale Netze. Auch gelte es, digitale Inhalte umfassend im Bildungssystem zu verankern.

„Es wird entscheidend darauf ankommen, die Fähigkeiten zur Wissensvernetzung, zur Interdisziplinarität, zu einer Königsdisziplin zu machen“, betont Professor Herrmann. So sei die Teilhabe vieler Menschen an neuer Wertschöpfung gesichert. „Und so gestalten wir Digitalisierung für alle.“

Die Aussteller beim Kongress zeigen fortschrittliche Technologien

Die Zukunft schmeckt süß und nach Mandeln. Jedenfalls am Stand der Firma Print2Taste. Dort schichtet ein 3-D-Drucker Figuren aus Marzipan. Zucker aus dem Drucker, sozusagen. Als Give-away für die staunenden Gäste.

Er ist einer von 29 „Future Points“, die an diesem Tag das Thema anschaulich machen: „Neue Wertschöpfung durch Digitalisierung“. Die bunte Ausstellung von kleinen und großen Firmen sowie Instituten bildet den Rahmen für den hochkarätig besetzten Kongress in den Münchner Eisbach-Studios.

Den rund 400 Kongressbesuchern führen sie eindrucksvoll vor Augen: Die Zukunft ist in Bayern in vollem Gange. Und die Digitalisierung, die alle Technologie-, Lebens- und Arbeitsbereiche durchdringt, ist für den Fortschritt auf vielen Feldern die zentrale Treiberin.

Landwirte nutzen neue Technik für die Schädlingsbekämpfung

Etwa in der Landwirtschaft. Der auf den Agrarsektor spezialisierte Mischkonzern BayWa macht an seinem Ausstellungsstand die Digitalisierung konkret: BayWa nutzt vollautomatische Drohnen, die im Mai und Juni über Maisfeldern Larven von Schlupfwespen ausbringen. Die sind der natürliche Feind des Maiszünslers – eines Schmetterlings, der bei ungebremster Ausbreitung die Hälfte der Ernte vernichtet. Die Drohne wird per GPS gesteuert, ihr Navi berechnet im Vorfeld das optimale Flugmuster und die passende Flughöhe. Alle sieben bis zehn Meter deponiert sie Kapseln mit je 1.000 Wespenlarven.

Einen vergleichbar günstigen Pflanzenschutz gibt es nicht. Um chemische Mittel aufs Feld zu bringen, müssten teure Spezialmaschinen ausrücken, damit die zum Frühjahrsende schon hoch gewachsenen Maispflanzen nicht abknicken. Stattdessen ist es die Digitalisierung, die den Bauern die Ernte mehrt.

Wie hoch der Effekt auf die Wertschöpfung ist, über alle Branchen gerechnet, das beziffert die von der vbw in Auftrag gegebene Studie des renommierten Forschungsinstituts Prognos: Der Mitarbeiter-Zuwachs bei digitalisierten Unternehmen liegt im Vergleich zum Durchschnitt der Betriebe um 40 Prozent höher, das Umsatzwachstum sogar 80 Prozent höher.

„Digitalisierte Unternehmen sind also erfolgreicher“, sagt Zukunftsratsvorsitzender Alfred Gaffal. „Das ist ein Appell gerade auch an den unternehmerischen Mittelstand, seine digitale Transformation weiter voranzutreiben.“ Und sein Mit-Vorsitzender Herrmann bekräftigt: Wer nicht selber treibt, wird irgendwann selbst zum Getriebenen.

Bislang sind viele Unternehmen zögerlich. Von 2.500 Betrieben, die für die Studie befragt und in eine „Digitalisierungsskala“ eingeordnet wurden, finden sich 80 Prozent auf den Stufen 1 und 2: Sie nutzen nur einfache PC-Anwendungen oder standardisierte Automatisierungslösungen für die Produktion. Nur jeder fünfte verwendet zusätzlich Daten, IKT-Technologien und das Internet, um Produkte und Prozesse virtuell abzubilden, und erreicht Stufe 3. Die höchste Stufe 4 belegen 2 Prozent: Hier entscheiden Systeme auch autonom und optimieren Prozesse.

Die Erwartungen sind hoch: Mehr als die Hälfte der Firmen aus Industrie und industrienahen Dienstleistungen rechnet in den nächsten Jahren mit positiven oder sehr positiven Effekten der Digitalisierung auf ihre Wettbewerbsfähigkeit. Der Zukunftsrat empfiehlt, auch über den Tellerrand der eigenen Branche zu blicken: Von Landwirtschaft über Industrie bis zu Dienstleistungen vollziehen sich, wenn auch in unterschiedlichem Tempo, dieselben Veränderungsprozesse. „Wer die Übertragbarkeit auf den eigenen Bereich prüft, kann Chancen frühzeitig erkennen“, so Gaffal. „Und verringert das Risiko, von disruptiven Entwicklungen überrascht zu werden.“

Bayerische Wirtschaft unterstützt Firmen bei der Digitalisierung

Umfassende Hilfe beim Erarbeiten einer betriebsspezifischen Digitalisierungsstrategie, insbesondere für kleinere Unternehmen, bieten die bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme und vbm. Etwa durch die „QuickChecks Digitalisierung“, die den Digitalisierungsgrad prüfen und den Firmen konkrete Schritte empfehlen.

„Wir wollen, dass Bayern weiter an der Spitze bleibt“, fasst Gaffal das Ziel des Zukunftsrats zusammen. „Dass unser Freistaat die Zukunft nicht nur irgendwie meistert, sondern gestaltet.“

Das empfiehlt der Zukunftsrat

  • Die Arbeitswelt verändern: Firmen müssen in ihren Strukturen die neuen Anforderungen durch die Digitalisierung abbilden, Update des veralteten Arbeitsrechts.
  • Auf Bildung setzen: Digitale Klassenzimmer an allen bayerischen Schulen bis 2022, eingebettet in ein pädagogisches Gesamtkonzept. Aus- und Weiterbildung auf die Bedarfe der Digitalisierung ausrichten, Hochschulen technisch auf den neuesten Stand bringen.
  • Investitionen in den Standort: Ausbau digitaler Netze sowie Auf- und Ausbau von Kompetenzen in Cybersicherheit, künstliche Intelligenz, Robotik, digitales Planen und Bauen, 3-D-Druck. Strategische Forschungsförderung und eGovernment in Verwaltungen.
  • Digitalisierungsstrategie für jede Firma.

 

Die Website des Zukunftsrats:

vbw-zukunftsrat.de