Berlin. Mama oder Papa sein – und trotzdem im Job voll mithalten: Das ist heute angeblich viel schwerer als früher. So gingen führende Gewerkschafter in diesen Tagen in die Offensive und forderten: „Die Beschäftigten müssen die Souveränität im Umgang mit der Zeit zurückgewinnen.“
Tenor: Die moderne Arbeitswelt schade dem Familienleben. „Das Hamsterrad dreht sich schneller.“
Früher gingen wir entspannt in den Feierabend, spielten fröhlich mit den Kindern – und heute alles Hektik? Die Januar-Ausgabe der Fachzeitschrift „Psychologie heute“ präsentiert einen gegenteiligen Befund. Basis: der akribisch protokollierte Tagesablauf von 122.000 Familien.
Demnach verbrachten im Jahr 1965 die Väter in Deutschland und anderen westlichen Industriestaaten im Durchschnitt 16 Minuten am Tag mit den Kindern. Inzwischen sind es immerhin 59 Minuten. Betrachtet wurden konkrete Tätigkeiten wie spielen, vorlesen, etwas erklären oder bei den Hausaufgaben helfen. Bei den Müttern nahm die Zeit von 54 auf 104 Minuten zu – trotz stark gestiegener Frauenerwerbstätigkeit.
40 Prozent finden Job sogar hilfreich
Immerhin 83 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland sagen, dass sie Beruf und Familie gut unter einen Hut bringen – so eine aktuelle Erhebung der EU-Kommission. Und etwa 40 Prozent meinen: Dem Privatleben tut es sogar richtig gut, dass sie berufstätig sind. Übrigens: Nach einer Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach schätzt mehr als die Hälfte aller Familien mit minderjährigen Kindern ihre wirtschaftliche Situation als „gut“ oder „sehr gut“ ein – 2005 waren es nur 38 Prozent.
Trotzdem haben viele das Gefühl, für die Familie im Hamsterrad zu strampeln. „Das Gefühl ist richtig, der Druck ist real“, sagt dazu Joachim Möller, Direktor der Denkfabrik IAB der Arbeitsagenturen. Doch das liege weniger an der Arbeitswelt als an den gestiegenen Ansprüchen: „Der Maßstab für ein normales Leben ist ein anderer als früher.“
Man vergleicht sich eben nicht mit der Generation der eigenen Eltern und Großeltern, sondern mit dem heutigen Umfeld. Die Messlatte liegt höher, beim Wohlstand und auch bei den Ansprüchen an die eigene Elternrolle.