Mit ihrer „Corporate Sustainability Reporting Directive“, kurz CSRD, legt die EU zahlreichen Unternehmen ab 2026 neue Pflichten auf: Sie müssen dokumentieren, wie nachhaltig ihre Aktivitäten sind. Der Waiblinger Forst- und Gartengerätehersteller Stihl macht das schon seit drei Jahren – freiwillig. Trotzdem fürchtet Stihls Nachhaltigkeitsbeauftragter Friedemann Stock einen gewaltigen Zusatzaufwand durch die neue EU-Vorgabe.
Herr Stock, was wird die neue EU-Richtlinie an den Nachhaltigkeitsberichten von Stihl ändern?
Wir haben uns eine Nachhaltigkeitsstrategie mit Schwerpunkten erarbeitet und wissen, was wir tun wollen. Die CSRD drückt uns jetzt wieder in die Breite – und hält uns davon ab, die wichtigen Dinge anzugehen. Wir werden versuchen, in der Wesentlichkeitsanalyse zurück zu unseren Prioritäten zu kommen, das muss der Wirtschaftsprüfer aber erst mal akzeptieren.
Ein Beispiel: Wenn wir ein Thema in der Berichterstattung ausschließen wollen, müssen wir das begründen. Wie soll ich aber nachweisen, dass etwas aus unserer Sicht nicht relevant ist? Oder wenn wir auf die Lieferketten schauen: Wie soll ich denn für jeden einzelnen Lieferanten wissen, wie viel Wasser er nutzt? Es ist absurd, dass ich in meiner Lieferkette alle Lieferanten in diesem Detailgrad abfrage.
Können Sie den Mehraufwand an Zeit und Geld in etwa beziffern?
Grob geschätzt kostet uns die CSRD-Berichtspflicht etwa vier Stellen und einen sechsstelligen Eurobetrag pro Jahr zusätzlich. Die reine Datenerhebung ist nicht das große Problem, da haben wir schon viel Monitoring. Wir arbeiten zum Beispiel daran, ein gruppenweites System auszurollen, um die Energieverbräuche zu erfassen und uns in diesem Bereich weiter zu verbessern. Das Schwierige dabei ist die geforderte Vollständigkeit: Wir müssen überspitzt gesagt selbst im kleinsten Bürogebäude in einem Schwellenland Daten erheben. Das ist unfassbar viel Aufwand.
Sehen Sie noch weitere Schwierigkeiten?
Die rechtlichen Fragen sind schnell geklärt. Aber wir werden in eine kontinuierliche Kommunikation mit unseren Prüfern und Beratern gehen müssen, um unsere Interpretation der notwendigen Schritte abzusichern. Diese Kommunikation kostet uns dann natürlich wieder Geld.
Ich habe nichts gegen Nachhaltigkeitsberichterstattung, im Gegenteil! Aber die CSRD kommt so schnell und umfassend, dass die Ausschläge sehr groß sein können. Wenn ich schlussendlich ein eingeschränktes Testat erhalte und dadurch Schwierigkeiten in meiner wirtschaftlichen Tätigkeit bekomme, ist damit ein großes Risiko verbunden.
Ihr jüngster Nachhaltigkeitsbericht hatte 83 Seiten – ohne die Vorgaben der CSRD. Warum tut Stihl sich das freiwillig an?
Vor allem intern wollten viele wissen, wie Stihl zur Nachhaltigkeit steht. Zwar haben wir schon vorher über unsere interne Kommunikation Informationen dazu weitergegeben, doch das Interesse war und ist darüber hinaus da. 2021 wurde erstmals der Posten des Nachhaltigkeitsbeauftragten mit mir besetzt. Wir haben dann im Team, wenn man so will, die Sachlage geordnet. Anschließend kam der Gedanke auf: Wir können mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen, indem wir einen Bericht erstellen, den wir sowohl nach innen als auch nach außen kommunizieren können.
Der Nachhaltigkeitsbericht ist ja nur ein Baustein der umfangreichen Nachhaltigkeitsstrategie Ihres Unternehmens. Was tut Stihl außerdem?
Der wichtigste Punkt beim Thema Nachhaltigkeit: Auch wenn man gern alle 17 globalen Nachhaltigkeitsziele gleichzeitig erfüllen möchte, also die Sustainable Development Goals der UN, muss man Prioritäten setzen. Diese Tatsache muss man akzeptieren. Für unsere Nachhaltigkeitsstrategie haben wir drei übergeordnete Punkte herausgearbeitet: Ökosysteme, Kreisläufe und Sorgfalt – also zweimal eher technisch und einmal eher sozial orientiert. Das passt sehr gut zur Geschichte und zur Identität des Unternehmens.
Haben Sie Rückmeldungen – von innen oder außen – zu Ihren Aktivitäten bekommen?
Wir erhalten sehr viel positives Feedback von unseren Mitarbeitenden. Und man merkt, wie das Thema die Menschen beschäftigt. Im Vergleich zu anderen Themen erreichen unsere Nachhaltigkeitsbeiträge immer hohe Klickzahlen. Ich werde auch häufig auf dem Flur oder in der Kantine auf Nachhaltigkeitsthemen angesprochen.
Außerhalb des Unternehmens war die Nachhaltigkeits-Community stets aufmerksam. Sie hat sich unsere Berichte sehr genau angesehen. Sie sind aufwendig gestaltet und umgesetzt, das hat schon für positive Resonanz gesorgt. Diese Nachhaltigkeitskommunikation im Sinne der Öffentlichkeitsarbeit werden wir beibehalten, aber sehr strikt von der CSRD-Berichterstattung trennen.
Zum Abschluss eine provokante Frage: Kann denn eine Firma, mit deren Produkten Wälder abgeholzt werden, nachhaltig sein?
Diese Frage hören wir oft. Und diese Thematik ist nicht von der Hand zu weisen, wenn es zum Beispiel um den Regenwald geht. Zunächst will ich aber klar sagen: Wir finden die Vernichtung der Regenwälder sehr schlimm und unterstützen das in keiner Weise!
Dann muss man festhalten, dass die Hauptarten der Regenwaldabholzung das Brandroden und der Einsatz von schweren Maschinen sind. Aber natürlich kann man mit unseren Geräten auch Unfug machen. Um dem entgegenzuwirken, stellen wir ausführliche Trainings- und Einweisungsmaterialien bereit. Und in Regenwaldgebieten vertreiben wir unsere Produkte nur über geschulte Fachhändler. Wir tun, was in unserer Macht steht, um den Missbrauch unserer Geräte zu verhindern. Doch fest steht auch: Es gibt Graubereiche, die man aus Unternehmenssicht nicht eliminieren kann.
Erstellt in Zusammenarbeit mit iwd.de