Im Hochregallager gleiten Stapler wie Eisläufer durch die Halle und bringen große, weiße Säcke zu den Tausenden Palettenlagerplätzen oder den Verladerampen, von denen aus ihre Reise in die ganze Welt startet. „Wir produzieren hier unter anderem Zutaten für die Herstellung von Wurst“, erklärt Julia Dempe den schwachen Duft nach Gewürzen beim Besuch von aktiv.
Die promovierte Lebensmittelchemikerin arbeitet seit Herbst 2023 bei ICL Ladenburg, einem Standort der ICL-Gesellschaft, der als BK Giulini GmbH firmiert. Sie ist dafür verantwortlich, dass die Produkte alle gesetzlichen Regularien erfüllen. Dazu gehören zum Beispiel Grenzwerte für Keime bei Naturprodukten wie Gewürzen oder die korrekte Etikettierung.
„Batterieanwendungen lassen die Nachfrage nach Phosphatchemie steigen.“
Reiner Exner, Werkleiter
Spezialchemie-Produktion läuft rund um die Uhr
In Dempes Aufgabengebiet fallen Produkte aus unterschiedlichsten Branchen mit jeweils eigenen Vorschriften: Rund 550 am Standort Beschäftigte entwickeln und produzieren Zusatzstoffe (Additive) für Lacke und Farben, für die Kosmetik- und Bau-Industrie sowie für hochwertige Nahrungsmittel. Dazu werden Rohstoffe wie Phosphorsäure, Natronlauge und Kalilauge zu verschiedenen Phosphatsalzen und Mischungen, sowohl Pulver als auch Salzlösungen, verarbeitet.
Die Produktion läuft rund um die Uhr, an 365 Tagen im Jahr. „Man kann die Prozesse nicht einfach hoch- und runterfahren“, erklärt Armin Etzel. Er begann die Karriere hier vor über 40 Jahren. Zunächst war er Projektingenieur, heute leitet er die Bereiche Energieversorgung, Ingenieurwesen und Infrastruktur. Produkte von ICL sind gefragt, weiß Werkleiter Reiner Exner: „Wir stehen vor einer Renaissance, für Batterieanwendungen wird die Nachfrage nach Phosphatchemie steigen.“
Phosphorsäure ist ein „Multitalent“
Grundstoff für die Additive ist Phosphorsäure, sie wird aus dem Mineral Apatit gewonnen und ist ein Multitalent: In Lebensmitteln sorgt sie für längere Haltbarbarkeit, bringt Säure und mehr Geschmack. Geringe Mengen genügen: Ein 25-Kilo-Gebinde Phosphatsalz reicht für 140.000 Scheiben Speck oder 36.000 Muffins.
Auch in der Industrie wird der Stoff eingesetzt. Er hält etwa in Dispersionsfarben Pigmente in der Schwebe, im Gips beeinflusst er die Abbindezeit, und er ist in Reinigungs- und Waschmitteln oder Dünger enthalten. Dempe liebt diese Vielfalt. „Kein Tag ist wie der andere, wir haben mit ganz unterschiedlichen Kundenanfragen zu tun“, berichtet die 43-Jährige.
Sie ist Naturwissenschaftlerin durch und durch: „Chemie ist so spannend, so vielseitig – sie beeinflusst unser Leben massiv und kann helfen, Dinge besser zu machen.“ Zutaten ersetzen, Rezepturen ändern, auf neue Gesetze reagieren, noch nachhaltiger produzieren – all das gehört zu ihrem Geschäft.
Traumberuf Lebensmittelchemikerin
„Es gibt keine klassische Ausbildung für das, was ich tue“, sagt die Karlsruherin, die beim Einkaufen oft neue Lebensmittel und Produkte unter die Lupe nimmt: „Ich lese gerne die Zutatenliste, mich interessiert, was wo warum drin ist!“ Neben Fachwissen braucht sie Kommunikationstalent, denn sie arbeitet eng mit der Entwicklung und Forschung zusammen. „Ich schätze die kurzen Wege im Haus“, sagt sie.
Auch für Armin Etzel sind die flachen Hierarchien und der kollegiale Umgang über alle Abteilungen hinweg ein großes Plus seines Arbeitgebers. Der 64-Jährige kann auf viele Projekte zurückblicken, so übernahm er 2015 für ein halbes Jahr die Werkleitung. „Am wichtigsten war für mich aber die Errichtung der Agglomerieranlage Anfang der 90er Jahre“, erinnert er sich. In dieser werden Phosphate zu gut löslichen Granulaten verarbeitet, vom Prinzip vergleichbar mit Instantkaffee. Von der Planung bis zur Inbetriebnahme war er überall dabei.
Untergebracht ist die Anlage in einem Gebäude, das Etzel sogar aus der Luft kennt: Der Hobbyfotograf schoss Luftbilder des Standorts, die in der Firma an den Wänden hängen. Darauf sieht man auch einen riesigen Wassertank. „Wir nutzen Regenwasser als Ergänzung für unser Kühlwasser, betreiben ein eigenes Blockheizkraftwerk und recyceln bei der Abwasseraufbereitung gewonnenes Phosphat wieder zu Dünger – Nachhaltigkeit ist wichtig“, betont der Ingenieur, der mit seiner Kamera auch beim Ladenburger Triathlon Römerman dabei ist.
Dort trifft er auch seine Kollegin Dempe. „Ich mache mit, ich brauche Sport, um den Kopf frei zu kriegen – und finde es prima, dass wir hier mit dem BSG Giulini eine der ältesten Betriebssportgemeinschaften Deutschlands haben“, sagt sie.
Die Geschichte von BK Giulini
ICL Ladenburg (BK Giulini GmbH) ist eine 100-prozentige Tochter der Israel Chemicals Limited (ICL)-Gruppe mit Hauptsitz in Tel Aviv. 2022 erzielte ICL mit Düngemitteln und Spezialchemikalien einen Umsatz von circa 10 Milliarden US-Dollar und beschäftigt rund 12.700 Mitarbeitende weltweit, davon über 1.000 in Deutschland und Österreich.
- Der Standort in Ladenburg wurde 1967 durch Benckiser und Hoechst als Benckiser Knapsack gegründet.
- 1990 erfolgte die Weiterführung als 100-prozentige Tochter von Hoechst als BK Ladenburg GmbH, die ICL 1996 kaufte.
- 2003 kam es zur Umfirmierung in BK Giulini GmbH.
- Seit 2013 tritt das Werk unter dem Konzernnamen als ICL Ladenburg auf.
Nach dem Germanistik- und Anglistik-Studium absolvierte Andrea Veyhle ein Volontariat und arbeitete für eine Agentur. Seit 2007 ist sie freiberuflich für verschiedene Verlage tätig. Für aktiv berichtet sie in Reportagen über die Chemie in Baden-Württemberg und stellt mit Porträts die vielseitigen Berufsbilder der Branche vor. Außerdem erklärt sie, wo uns chemische Produkte im Alltag begegnen. In ihrer Freizeit experimentiert sie gerne in der Küche, Kalorien strampelt sie auf dem Rennrad wieder ab.
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