Berlin. Ausgesorgt! Wer träumt nicht manchmal von der Sofortrente, 5.000 Euro im Monat lebenslang? Und das ist nur einer der vielen verlockenden Gewinne, die Sozial-Lotterien in Deutschland ausloben. Die Anbieter winken mit Summen in Millionenhöhe, mit Autos, Reisen, Häusern. Meist steht davor der Zusatz „Traum-“. Und die Deutschen greifen dafür tief in die Tasche, mit gutem Gewissen: Schließlich unterstützen sie damit gleichzeitig auch gemeinnützige Projekte.
860 Millionen Euro setzten im vergangenen Jahr allein die drei größten Lotterien um: die „Aktion Mensch“, die „Deutsche Fernsehlotterie“ und die „Glücksspirale“. Hinzu kommen weitere kleinere Anbieter. Das Geschäft mit dem Glück ist also ein Milliardenmarkt.
Jetzt mischt ein neuer Player mit. Mit einem Startkapital von 20 Millionen Euro hat die deutsche Wirtschaft im Juni die „Bildungs-Chancen-Lotterie“ gestartet. Unter anderem haben das Pharma-Unternehmen Boehringer Ingelheim und der Maschinenbauer Trumpf Geld gegeben. Träger sind der Deutsche Stifterverband, die SOS-Kinderdörfer und die Deutsche Kinder- und Jugendstiftung.

In zehn Jahren will die neue Lotterie 100 Millionen Euro umsetzen
„Unsere Lotterie fördert Projekte entlang der gesamten Bildungskette“, so Professor Andreas Schlüter, Generalsekretär des Stifterverbands. „Von der frühkindlichen über die berufliche und akademische Bildung bis zur Erwachsenenbildung.“
Zu gewinnen gibt es auch hier: Traumrente, Traumhaus, Traumreise. Es gibt jede Woche die Chance, bis zu zwei Millionen Euro zu gewinnen. Die Chance dafür steht – wie bei den anderen Lotterien auch – eins zu zweieinhalb Millionen. In zehn Jahren soll die neue Lotterie jährlich 100 Millionen Euro umsetzen.
30 Prozent des Umsatzes landen als Gewinne bei den Mitspielern
Zum Vergleich: Der größte Anbieter Aktion Mensch setzte im vergangenen Jahr 450 Millionen Euro um. Dahinter stehen große Wohlfahrtsverbände und das ZDF. Nur 30 Prozent des Umsatzes landen als Gewinne bei den Mitspielern. 36 Prozent gehen in die Förderung und Aufklärung, 17 Prozent in die Lotteriesteuer und 10 Prozent in Marketing und Kommunikation. Die übrigen 7 Prozent werden für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens benötigt, bei dem immerhin 276 Menschen arbeiten. Der soziale Auftrag dieses Mittelständlers heißt Inklusion von Menschen mit Behinderung.
Die Deutsche Fernsehlotterie, getragen von kommunalen Spitzenverbänden und der ARD, hat andere Schwerpunkte. So unterstützt sie vor allem Projekte im Quartiersmanagement und im Generationen-Austausch. Dazu gehören Mehrgenerationen-Häuser, Mutter-Kind-Kliniken und Nachbarschaftshilfe. Die zum Deutschen Lotto- und Totoblock gehörende Glücksspirale unterstützt unter anderem Denkmalschutz und Sport.
Die Loskäufer werden immer älter
Mit der Arbeit der Sozial-Lotterien beschäftigt sich sogar die Wissenschaft. Professor Tilman Becker leitet die Forschungsstelle Glücksspiel an der Universität Hohenheim. „Sozial-Lotterien sind seit Jahren stabil“, sagt er. Dabei genießen sie einen sehr hohen Bekanntheitsgrad. „Sie machen schließlich seit Jahrzehnten Fernsehwerbung in den allerbesten Sendezeiten.“
Allerdings könnte die aktuelle Altersstruktur der Teilnehmer mittelfristig zum Problem für die Anbieter werden. „Die eher älteren Kunden sterben, und es rücken nicht so viele junge nach“, so Becker. Zudem komme der Fernseher als Werbemedium in die Jahre. Die Lotterien müssen also umdenken.
Der neue Player „Bildungs-Chancen-Lotterie“ wagt daher den Schritt als reines Online-Geschäft. Der Vorsitzende Schlüter ist zuversichtlich. „Nach dem Handel und dem Bankgeschäft wird sich auch das Lotteriegeschäft künftig ins Netz verlagern.“