Wie ein riesiger Schweizer Käse wirkt die Oberfläche, die Eugenia Haar auf ihrem Bildschirm betrachtet. Tatsächlich jedoch sind selbst die größten „Käselöcher“ so winzig, dass sie unter einem normalen Mikroskop gar nicht zu sehen sind. Haar aber nutzt ein besonders leistungsstarkes Rasterelektronenmikroskop (REM). Dieses tastet die Probe mit einem gebündelten Elektronenstrahl ab. So wird das Unsichtbare sichtbar. In diesem Fall sind das die wenige Nanometer großen Poren in einer Membran: Ein Sandkorn erscheint im Vergleich zu ihnen wie ein Felsbrocken.
„Siebe“ für Moleküle und Mikroorganismen
Die REM-Expertin Eugenia Haar arbeitet im Labor von Solventum, ehemals 3M, in Wuppertal. Das Werk stellt sogenannte nanoporöse Polymer-Membranen für verschiedene medizinische Anwendungen her. Die Membranen filtern bestimmte Moleküle oder Mikroorganismen heraus, während andere, nützliche Stoffe ungehindert passieren. Die „Siebe“ können zum Beispiel Sauerstoff durchlassen, aber Viren abhalten. Deswegen sind die Porengrößen je nach Anwendung genau festgelegt.
„Mit dem topmodernen REM können wir beispielsweise Freigaben für einzelne Fertigungs-Chargen erteilen und die Forscher bei der Entwicklung neuer Produkte unterstützen“, sagt die Expertin. Das Gerät kostet mehrere Hunderttausend Euro – und ist ein starker Beitrag zur Modernisierung des Standorts.
Solventum hat seit November auch ein hochmodernes Biolabor. Hier kann gefahrlos mit Krankheitskeimen gearbeitet werden. Die Konzernmutter investiert 8,4 Millionen Euro, um die Anforderungen der biologischen Schutzstufe 2 (S2) zu erfüllen. Biolaborantin Kim Blum freut sich über ihren neuen Arbeitsplatz.
Das neue Biolabor ermöglicht einen optimalen Arbeitsfluss
„Die Räume sind so gestaltet, dass man einen optimalen Arbeitsfluss hat. Die Wege sind kürzer und auch Forschung und Produktion sind näher dran.“
Die sechs Biolaboranten hantieren hier mit Bakterien, Viren und Proteinen. „Das Kleinste, was wir haben, sind Phagen“, sagt Blum. „Das sind spezielle Viren, die ausschließlich Bakterien infizieren.“ Desinfektion ist im Biolabor das A und O. Bevor sie über die Schwelle tritt, zieht die Laborantin sich um: Besondere Schutzkleidung ist Pflicht, sie wird in der Eingangsschleuse später separat gesammelt und gewaschen. Instrumente werden in Druckkesseln sterilisiert. „Es ist alles so gestaltet, dass hier nichts unbeabsichtigt rausgeht.“
Blum arbeitet seit 2012 im Werk und hat auch ihre Ausbildung hier gemacht. Sie hat das Konzept des modernen Biolabors eng begleitet. Ihre ehemalige Chefin Tatjana Hoppe ist mit dem Ergebnis ebenfalls sehr zufrieden. Die Mikrobiologin hat das bisherige Biolabor in Wuppertal früher geleitet und ist nun für alle Laborprozesse der gesamten Aufreinigungs- und Filtrationssparte von Solventum zuständig.
Von außen sieht das alte Werk an der Wupper mit seinen Industriehallen aus rotem Ziegelstein aus wie aus dem 19. Jahrhundert, als hier noch die berühmte Kunstseide für Damenstrümpfe produziert wurde. Heute werden hier mit Hochtechnologie Produkte entwickelt, die nur am Standort Wuppertal hergestellt werden.
Produkte retten zahlreiche Leben
Und diese Produkte retten zahlreiche Leben, so Rob Peerlings, der die Forschung und Entwicklung leitet. Millionen Nierenkranke auf der ganzen Welt müssen mehrmals wöchentlich zur Dialyse: Ihr Blut wird stundenlang durch eine künstliche Niere geleitet und dabei gereinigt. In den meisten Dialyse-Geräten stecken sogenannte Kapillarfilter aus Wuppertal: Kapseln mit Hohlfasern, deren Länge sich auf mehrere Kilometer summiert. Die Membranen halten nützliche Antikörper oder Albumin zurück, lassen aber Giftstoffe wie Harnstoff und Kreatinin durch, so wie es eine gesunde Niere tut. Der Bedarf an Blutwäsche steigt: „Weltweit gibt es 30 Millionen Behandlungen pro Jahr“, weiß Peerlings.
Feingewebte Matten aus den Polymer-Fasern kommen im OP-Saal und auf der Intensivstation zum Einsatz – in künstlichen Lungen. Diese reichern das Blut der Patienten bei einer Operation am offenen Herzen mit Sauerstoff an. Solche Geräte werden auch bei einer künstlichen Beatmung gebraucht: Das war besonders oft während der Pandemie der Fall.
Medizinische Membranen trennen auch Plasma und rote Blutkörperchen voneinander, um Blutspenden haltbar zu machen. Andere filtern bestimmte Substanzen aus dem Blut, um überschießende Immunreaktionen zu stoppen. Oder sie reinigen die Lösungen für Impfstoffe: „Von unseren Kapazitäten hängen die Kapazitäten der Impfstoff-Herstellung ab“, betont Peerlings.
Weitere Investitionen sind bereits geplant
In Jahr 2024 hat Solventum auch schon eine neue Produktionslinie für 40 Millionen Euro in Wuppertal eröffnet. Sie stellt unter dem Markennamen 3M LiquiCell Hohlfasern her, die man verstreckt. „So entstehen Membranen mit kleinen Poren, die Flüssigkeiten be- und entgasen können“, erklärt der Forschungsleiter. In den nächsten Jahren sind weitere Investitionen geplant, um die Produktion von Membranen für die künstliche Beatmung zu erweitern. Man sieht: Auch wenn es um ganz Kleines geht, kommt der Standort Wuppertal groß raus.
Das Unternehmen
- Der Standort Wuppertal gehörte seit 2015 zur Gesundheitssparte des amerikanischen Konzerns 3M, die 2024 als eigenständiges Unternehmen ausgegründet wurde und seitdem unter dem Namen Solventum firmiert.
- Über 530 Mitarbeiter produzieren hier Polymer-Membranen, die in der Medizintechnik und der Pharma-Industrie verwendet werden, ebenso in der Lebensmittelproduktion, Wasserreinigung und der Halbleiter-Industrie.
- Weitere 150 Mitarbeiter sind in der Forschung und Entwicklung, der Planung und in den Laboren beschäftigt.

Matilda Jordanova-Duda schreibt für aktiv Betriebsreportagen und Mitarbeiterporträts. Ihre Lieblingsthemen sind Innovationen und die Energiewende. Sie hat Journalismus studiert und arbeitet als freie Autorin für mehrere Print- und Online-Medien, war auch schon beim Radio. Privat findet man sie beim Lesen, Stricken oder Heilkräuter-Sammeln.
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