Köln. Mitten in der rheinischen Domstadt liegt die meistbesuchte Einkaufsmeile Deutschlands – die Hohe Straße. Dort offenbaren sich derzeit in großen Lettern die Probleme des Modehandels: „Totalausverkauf – wir schließen!“ steht auf einem Plakat an der Fassade des Kölner Modehauses Jacobi.
Das 120 Jahre alte Unternehmen hat Anfang Februar Insolvenz angemeldet. „Insbesondere der digitale Wandel und der starke Preiswettbewerb im stationären Handel haben zur Schließung geführt“, teilte der geschäftsführende Gesellschafter Georg Jacobi mit.
Die Branche steckt mitten in einem schmerzhaften Wandlungsprozess. So hat sich die Zahl der selbstständigen Textilhändler laut Bundesverband des deutschen Textilhandels (BTE) seit der Jahrtausendwende von mehr als 35.000 auf aktuell rund 18.000 verringert. Stattdessen boomen internationale Ketten wie H & M und Zara, Textildiscounter wie Primark oder Kik und Online-Händler wie Zalando. Letztere haben nach Zahlen des Bundesverbands E-Commerce und Versandhandel (bevh) in Berlin allein 2016 einen Umsatz von über 15 Milliarden Euro erwirtschaftet.
Traditionelle Modehändler wie Jacobi, Wöhrl oder Sinn Leffers sind dagegen bei vielen Kunden aus der Mode gekommen. „Zusammen bestreiten die auf Bekleidung und Textilien spezialisierten Fachgeschäfte einen Marktanteil von etwa 58 Prozent“, so BTE-Präsident Steffen Jost. Mit anderen Worten: Ein großes Stück des Umsatzkuchens ging verloren. Das merken auch viele Bekleidungshersteller wie Gerry Weber, Hugo Boss oder Bugatti, die noch immer den größten Teil ihrer Kollektionen über den stationären Handel verkaufen.
Im Schnitt haben Boutiquen und Modehäuser allein 2016 rund 2 Prozent an Umsatz eingebüßt, bei einem Gesamtumsatz von 37 Milliarden Euro. Das Minus schmerzt, dennoch: Für die Mehrheit der Deutschen ist es immer noch wichtig, im Laden einkaufen zu können.
12 Einkaufstouren pro Jahr machen die Verbraucher
Drei von vier Kunden wollen das auch in Zukunft tun, hat das Handelsinstitut EHI in Köln ermittelt. Nur eben anders als in der Vergangenheit. „Sie wollen beides. Den Einkaufsbummel in der Stadt wie die schnelle Beschaffung über das Internet“, sagt EHI-Experte Stefan Genth.
Handelsverbands-Chef Jost verlangt deshalb mehr Schnelligkeit: „Wir müssen unseren Kunden die Ware anbieten, wenn sie begehrt wird.“ Dann seien sie auch bereit, einen angemessenen Preis zu zahlen. Bisher aber wird ein Großteil der Ware lange vor dem Verkauf geliefert, blockiert Lager und Regale und sinkt in der Wertschätzung der Kunden und Mitarbeiter. Er fordert: Die Kundschaft soll bei jeder ihrer im Schnitt zwölf Einkaufstouren jährlich Neues und Aufregendes entdecken. Helfen kann da die Zusammenarbeit mit der Industrie. Vernetzte Warenwirtschaftssysteme könnten den Nachschub bis ins Regal schneller organisieren und die bis zu sechs Monate langen Lieferzeiten verkürzen.
Hängen Hemd, Hose, Kleid oder Bluse auf dem Ständer, ist es der Job des Verkaufspersonals, den Kunden zu locken. Jost: „Es muss im Geschäft mehr Lust auf neue Ware vermitteln.“ Dazu gehört fachliche Kompetenz und Begeisterung (siehe Interview). Mit diesen Stärken kann der Handel gegenüber der Online-Konkurrenz punkten.
Denn im Zweifelsfall setzt der unschlüssige Kunde eher auf menschlichen Rat als auf die nüchterne Nachricht des digitalen Größenberaters, der per Smartphone mitteilt, dass diese schicke Hose doch nicht passt.