Auf den ersten Blick war alles super. Die Zeugnisse Zucker, auch die Vita des Job-Bewerbers lückenlos. Und erst das Diplom! Ausgestellt von einer polnischen Universität, unbekannt zwar, aber mit Hochglanz-Internetseite. Tolle Gebäude gab es da zu sehen, selbst der aktuelle Mensa-Speiseplan war online nachzulesen.

Marco Löw aber traute dem Braten nicht. Er griff zum Telefon, und was die polnische Polizei ihm dann zu erzählen hatte, haute selbst ihn, den erfahrenen Ermittler, fast aus dem Anzug. „Die angegebene Adresse der Hochschule führte bloß zu einer Kuhweide.“ Die angebliche Elite-Uni – ein Luftschloss. Die Website – ein Fake! Und der so aussichtsreiche Bewerber – ein dreister Betrüger!

Von der Doktorarbeit bis zum Staplerschein

Es ist Zeit, ein neues Wort zu lernen: Bewerbungsbetrug! Denn das Tarnen, Tricksen und Täuschen für den Traumjob ist auf dem Vormarsch! Gefälschte Zeugnisse, erfundene Ex-Arbeitgeber, ausgedachte Auslandserfahrung – der Fantasie der Fälscher rund ums Frisieren ihrer Lebensläufe scheint keine Grenze gesetzt. „Gefälscht wird alles, von der Doktorarbeit über den Hauptschulabschluss bis zum Staplerschein“, sagt Marco Löw.

Wohl keiner kennt die Finten der Lebenslauf-Lügner besser als er. Denn: Er jagt sie. Er ist so etwas wie der Lebenslauf-Detektiv. Im Auftrag deutscher Unternehmen durchleuchtet der frühere Betrugsermittler der Kripo München Bewerbungsunterlagen auf Fälschungen. Dazu trichtert der baumlange Ex-Cop, Markenzeichen gelbe Krawatte zum schwarzen Anzug, Personalern in Seminaren ein, wie man Betrügern schnell auf die Schliche kommt.

Und Löw hat gut zu tun. Er sagt: „Die Zahl der Betrugsfälle steigt derzeit stark an!“

Sonntagszeugnisse und falsche Postleitzahlen

Nur sprechen mag darüber kaum jemand. Trotz seiner beträchtlichen Brisanz gilt der Bewerbungsbetrug hierzulande als Tabu-Thema. Offizielle Statistiken? Fehlanzeige.

Experten-Schätzungen aber dürften den Personalverantwortlichen von der Küste bis zu den Alpen trotzdem kalten Angstschweiß auf die Stirn treiben. „Jede dritte Bewerbung enthält Schummeleien“, schätzt beispielsweise Manfred Lotze, Chef der renommierten Düsseldorfer Detektei Kocks.

Und auch ein Blick in die USA, wo aufgeflogene Bewerbungsbetrügereien seit Jahrzehnten im „Liars Index“ statistisch erfasst werden, belegt den Trend zur kriminell aufgehübschten Bewerbungsmappe. Demnach wiesen dort im zweiten Halbjahr 2011 knapp 28 Prozent aller Bewerbungen Fälschungen auf – Rekord!

Rekordverdächtig ist auch der Aufwand der Trickser. Löw: „Mal helfen Ghostwriter beim Bestehen des Studiums, mal wird auf geklautem Briefpapier eine angeblich erfolgreich absolvierte Weiterbildung bescheinigt.“

Dabei könnten viele Betrüger leicht überführt werden, sagt Löw, der lebende Lügen-Detektor. Wenn, ja, wenn man nur ein wenig genauer hinschauen würde. Auf das Ausstellungsdatum der Arbeitszeugnisse zum Beispiel. Löw: „Häufig stellt sich heraus, dass diese angeblich an Sonn- oder Feiertagen ausgestellt wurden. Da arbeitet kaum ein Personaler.“

Fast ebenso beliebter Anfänger-Fehler: „Neue, fünfstellige Postleitzahlen in Dokumenten, die älter sind als die Postleitzahlreform von 1993.“ Oder in verschiedenen Zeugnissen wiederkehrende identische Formulierungsvorlieben oder sprachliche Schwächen.

Fast ebenso vielfältig wie die Methoden der Fälscher sind ihre Motive, sich auf betrügerische Weise einen Job zu erschummeln. „Manche wollen sich auf diese Weise hart umkämpfte und hoch bezahlte Positionen sichern“, sagt Löw. Doch auch am unteren Ende der Lohnskala sei Mogelei weit verbreitet. „Geringqualifizierte sehen gefälschte Zeugnisse oft als einzige Möglichkeit, wieder in Arbeit zu kommen.“

Wer einmal betrügt, der tut’s auch wieder

Kann man, darf man für Letztere Verständis haben? „Nein“, sagt Löw. Zum einen bleibe für jeden eingestellten Betrüger ein ehrlicher Bewerber auf der Strecke. Außerdem legten Bewerbungsbetrüger generell ein hohes Maß an krimineller Energie an den Tag. Löw will herausgefunden haben, dass „70 Prozent der eingestellten Bewerbungsbetrüger ihren Arbeitgeber später auch in anderer Weise schädigen“.

Und manchmal sogar dessen Existenz gefährden. So wie der Mitarbeiter eines Autohauses. Den hatte Löw wegen des Verdachts der Untreue unter die Lupe genommen. Und er fand heraus, dass dieser nie wie behauptet ein Autohaus in Süditalien geleitet hatte. Das Zeugnis hatte ein Verwandter aus Gefälligkeit und familiärer Verbundenheit ausgestellt.

„Solche Leute“, sagt Löw, „kann sich doch wirklich keiner als Kollegen wünschen.“