Mühldorf am Inn / Stephanskirchen / Roth. Alles rund um Roboter: Wenn jetzt am 22. November die SPS IPC Drives, die Fachmesse für Automatisierung, in Nürnberg beginnt, erleben Besucher, was vielerorts schon Realität ist. Die Roboter, die in den Messehallen schrauben und werkeln, sind heute schon fester Bestandteil in der Industrieproduktion, Tendenz steigend.

Bis 2019 werden mehr als 1,4 Millionen neue Roboter in Fabriken weltweit installiert, schätzt der Weltbranchenverband International Federation of Robotics. Dazu kommen die Herausforderungen vernetzter Produktion, Stichwort Industrie 4.0.

Für Unternehmen aus Bayern ein riesiger Markt: Viele bieten Lösungen für die komplexen Maschinen an. Dies können kleinste Komponenten sein, ohne die ein Roboter nicht funktioniert.

Kleine Steckverbindungen übertragen Strom, Daten und Signale

Zum Beispiel Steckverbindungen von ODU im oberbayerischen Mühldorf am Inn. „Das Geschäft mit der Automatisierung macht 10 Prozent unseres Umsatzes aus und wächst kontinuierlich“, sagt Thomas Irl, in der ODU-Geschäftsleitung verantwortlich für den Vertrieb in Europa. Damit bestätigt das Unternehmen einen Trend, den der Zukunftsrat der Bayerischen Wirtschaft schon 2015 in einer Studie vorhergesehen hat. Das Expertengremium, das von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) gegründet wurde, hat die industriellen Produktionstechnologien als eine von zehn Schlüsseltechnologien definiert, um Wertschöpfung in Bayern zu halten.

ODU sieht sich auf dem richtigen Weg. „Überall in der Welt wird automatisiert“, sagt Irl. „Wenn das Geschäft unserer Kunden gut läuft, merken wir das auch.“ Steckverbindungen des Mittelständlers übertragen unter anderem Strom, Daten und Signale. Sie sorgen dafür, dass etwa Anlagen in der Lebensmittel- und Chemie-Industrie reibungslos laufen.

In einer stark automatisierten Fertigung ist die Qualität der einzelnen Komponenten entscheidend. Das spielt ODU in die Hände. Denn bei den hochkomplexen Anlagen wird jeder Ausfall schnell teuer. „Mit dem Argument können wir bei unseren Kunden punkten.“

ODU kann sich allerdings nicht auf seinem Erfolg ausruhen, zu rasant ist der Fortschritt. „Es gibt die klare Entwicklung hin zur Miniaturisierung, also gleiche Leistung auf weniger Raum“, so Irl. Auch Daten würden schneller und in noch größeren Mengen übertragen werden. „Es passiert unglaublich viel“, sagt er, „da müssen wir dabei sein.“

Das gilt auch für den Mittelständler Kathrein in Rosenheim. Das Unternehmen ist mit Antennen groß geworden. Die Firma erkannte schon früh, dass sich mit der Hochfrequenztechnik noch mehr machen lässt und investierte ab 2006 in die RFID-Technologie.

Die Abkürzung steht für radio-frequency identification, die Identifikation von Produkten mithilfe elektromagnetischer Wellen. Das funktioniert über Sender und Empfänger. Das Besondere: Der Sender kann so klein wie ein Reiskorn sein.

Thomas Brunner ist Leiter des Unternehmensbereichs RFID bei Kathrein. Einst startete er am Standort Stephanskirchen mit drei Kollegen. Heute ist das Team auf 40 Mitarbeiter gewachsen. „RFID ist ein starker Trend“, sagt er. Kathrein liefert sowohl Hardware als auch die Netzwerklösung. Mit der Technologie lassen sich Warenein- und -ausgang prüfen, Bestände kontrollieren und Produktionsschritte nachvollziehen.

Die Erkenntnisse helfen, Prozesse in Herstellung oder Logistik zu verschlanken. „Das muss nicht heißen, dass manuelle Arbeit entfällt“, so Brunner. Im Gegenteil: „Mit besserer Planung und höherer Produktivität lassen sich Mitarbeiter gezielter einsetzen.“

Unternehmen profilieren sich zunehmend als Lösungsanbieter

Automatisierungsgegner betonen, dass Maschinen den Menschen in der Arbeitswelt verdrängen. Dies habe sich bislang jedoch nicht bestätigt, so eine aktuelle Studie des Robotik-Weltbranchenverbands. In der deutschen Automobil-Industrie, die als eine der am stärksten automatisierten Branchen weltweit gilt, stieg die Zahl der Beschäftigten sogar. Zwischen 2010 und 2015 lag das Plus im Schnitt bei 2,5 Prozent, während im Schnitt 3 Prozent mehr Roboter jährlich hinzukamen.

Allerdings verändern sich die beruflichen Aufgaben, wie RFID-Spezialist Brunner beobachtet. Es gehe darum, individuelle Lösungen zu finden. „Einfach ein Produkt herzustellen und zu hoffen, dass es gekauft wird, das funktioniert heute nicht mehr.“

Das sieht auch Leoni so. Das Unternehmen bietet neben Kabeln und Kabelsystemen mittlerweile auch automatisierte, lasergestützte Systemlösungen zur Vermessung von Bauteilen und Kalibrierung robotergestützter Anwendungen. Zusätzlich sind neue Ideen gefragt, sagt Torsten Schierholz: „Wir statten Produkte künftig mit mehr Intelligenz aus, um den Herausforderungen von Industrie 4.0 zu genügen.“ So haben etwa Kabel Vorteile, wenn sie sich selbst kontrollieren: Sie werden sicherer, man muss sie seltener warten – und der Kunde spart Geld.

Seit Juli leitet Schierholz als Chief Solution Officer eine neue interne Abteilung am Standort Roth. Sie lotet künftige Geschäftsmodelle aus, um die digitale Transformation der Kunden zu begleiten. „Es geht auch darum, unsere eigene Position in der Wertschöpfungskette neu zu definieren.“

Gewohnte Produkte werden bleiben. „Aber wir werden viel enger mit unseren Kunden arbeiten, noch genauer ihre Probleme analysieren und ihnen innovative Lösungen bieten“, sagt Schierholz. „Wenn dies gelingt, etablieren wir Leoni als starken Partner der Industrie und halten auch die Wertschöpfung in der Region.“

Interview

„Wir sind für Wandel gut gerüstet“

Neue Technologien verändern die Arbeitswelt, doch wir sind aktiv am Prozess beteiligt, sagt Oliver Stettes, Leiter des Kompetenzfelds Arbeitsmarkt und Arbeitswelt beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW).

Automatisierung gilt vielen als Schreckgespenst. Was steckt dahinter?

Es gibt drei Hauptsorgen: dass Roboter Jobs wegnehmen, dass sozialversicherungspflichtige Stellen entfallen und dass uns die ständige Erreichbarkeit überlastet oder gar krank macht.

Ist diese Angst denn begründet?

Dafür gibt es keinen Anhaltspunkt. Der Arbeitsmarkt ist stabil. Studien bestätigen dies. Das gilt auch für Unternehmen, die sich schon stark in Richtung Industrie 4.0 bewegt haben. Ständige Erreichbarkeit wird zudem nur von wenigen erwartet. Dies sind meist Führungspersonen, die mobil sind und es gewohnt sind, Verantwortung zu tragen. Dazu gehört, dass sie größere Handlungsspielräume haben und entscheiden dürfen, was wichtig ist.

Was kann man tun, um alle beim Technologiewandel mitzunehmen?

Wir sind aktiver Teil des Wandels, das muss man erkennen. Veränderung vollzieht sich Schritt für Schritt, nicht über Nacht. Viele neue Medien kennen und nutzen wir schon privat. Das ist kein Hexenwerk und lässt sich auch im Beruf lernen. Insofern sind wir für diese Aufgabe gut gerüstet. Die große Herausforderung liegt nun bei den Unternehmen selbst.

Inwiefern?

In Umbruchphasen ist Personalentwicklung ganz entscheidend. Wandel gelingt nur, wenn Mitarbeiter ernst genommen, an neue Aufgaben herangeführt und stetig weitergebildet werden. Ich bin optimistisch, dass das klappt. Dies belegen Beispiele von Firmen, die bereits weit in Richtung Wirtschaft 4.0 gegangen sind.