Neumarkt. Für Jesús Pichardo García ist die Sache ganz klar: „Mein Lebensmittelpunkt ist inzwischen hier.“ „Hier“, das ist Bayern, das sind die Kollegen bei der Firma Europoles in Neumarkt in der Oberpfalz. „Hier“, das ist 2.500 Kilometer von seiner spanischen Heimat Sevilla entfernt. Von dort brach der 25-Jährige 2014 auf und startete in Bayern eine Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik. Nun macht er die letzten Prüfungen – und ist beruflich und privat angekommen.

Wer mit dem jungen Mann plaudert, glaubt kaum, dass er vor wenigen Jahren kein Wort Deutsch verstanden hat. Heute sprudeln die Sätze nur so aus ihm heraus, wenn er von seiner Teilnahme am Projekt „career(me)“ berichtet.

Das Projekt der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeber bayme und vbm ermöglicht jungen Spaniern, Bulgaren und Kroaten eine Ausbildung in einem bayerischen Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie. Auch, um durch gezielte Zuwanderung aus Ländern der Europäischen Union den Fachkräftemangel im Inland zu bekämpfen.

García hatte davon gehört und sich erfolgreich beworben. „Für mich war das eine riesige Chance“, betont er. Denn die Jugendarbeitslosigkeit in seiner spanischen Heimat ist hoch, trotz Ausbildung und Job boten sich García keine Karriereperspektiven – die er dann in der Oberpfalz fand. Für Martin Prillmann, Geschäftsführer der Europoles GmbH & Co. KG, war klar, dass auf die Firma Herausforderungen zukommen, wenn sie junge Zuwanderer ausbildet: „Man muss bereit sein, auf Menschen individuell einzugehen.“ Vor allem in Zeiten, in denen heimische Fachkräfte nicht leicht zu finden sind, spielt die Hebung weiterer Potenziale für die Ausbildung eine große Rolle.

„Die Region Neumarkt ist ein ebenso starker wie stetig wachsender Wirtschaftsstandort mit vielen attraktiven Unternehmen. Dementsprechend groß ist der Wettbewerb“, sagt Prillmann. Auch Europoles wächst. Der Hersteller von Masten und Türmen profitiert vom Mobilfunk-Boom. Auch die Energiewende rückt in den Mittelpunkt. Für sie sollen neue Trassen für Ökostrom entstehen – unter anderem mit Masten aus der Oberpfalz. Zur Sicherung der Fachkräfte setze der Mittelständler daher auch auf neue Wege, wie die Teilnahme am Projekt „career(me)“: „Mit durchwegs positiven Erfahrungen.“

Dazu trug sicherlich bei, dass die Chemie zwischen der Firma und dem jungen Spanier sofort stimmte – und sich beide Seiten anstrengten, damit es klappte. So spendierte der Betrieb ein Übersetzungsgerät, als dem Azubi die Sprache anfangs schwer fiel. Im Gegenzug ging García offen auf die Kollegen und die fremde Kultur zu. „Deutschland ist ein sehr schönes Land“, schwärmt er. Von Anfang an organisierte er für Freunde Ausflüge in die Region. Heuer muss er unbedingt noch zum Weihnachtsmarkt nach Rothenburg ob der Tauber: „Die vielen Fachwerkhäuser sind wunderschön.“

Die spannende Arbeit hält ihn hier – und seine bayerische Freundin

Viel Zeit bleibt nicht. Denn zum Fest wird er nach Spanien reisen und erstmals seine kleine Nichte im Arm halten: „Ich kenne sie nur von Fotos und per Skype.“ Immerhin: Die Technik überwindet die Distanz zur Familie.

Will er ganz zurück nach Spanien? „Erst mal nicht“, ist sich García sicher. Er hat bereits einen Arbeitsvertrag für das Werk in Dinkelsbühl in der Tasche. Außerdem wartet seine Freundin auf ihn – die hat er auch in Bayern gefunden!

Persönlich

Wie war die Ausbildungszeit?

Im Vergleich zu Spanien lernt man hier nicht nur Theorie, sondern macht auch praktische Arbeit im Betrieb. Das finde ich sehr gut.

Was fiel Ihnen schwer?

Anfangs konnte ich die Sprache noch nicht so gut. Aber ich wollte meine Chance nutzen und habe mich immer weiter verbessert. Und ich hatte viel Hilfe im Betrieb.

Wie sind Ihre Zukunftspläne?

Ich möchte hier arbeiten und mich zusätzlich in meinem Fach weiterbilden. Es gibt noch viel zu lernen, das finde ich spannend.

Projekt „career(me)“

  • Projektstart: Zum Ausbildungsbeginn 2013, seit 2016 läuft die vierte und letzte Staffel.
  • Ziel: Jungen Europäern eine Ausbildung in einem bayerischen Metall- und Elektrounternehmen und damit einen qualifizierten Berufseinstieg zu ermöglichen.
  • Förderung: Durch das Sonderprogramm „MobiPro-EU“ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
  • Besonderheit: Azubis werden vorab umfassend vorbereitet, etwa durch Sprachkurse, und haben bis zum Abschluss einen Ansprechpartner, der sie fachlich, sprachlich und sozialpädagogisch begleitet.