Dormettingen/Calw. Baden-Württemberg hat schon vieles hervorgebracht, was genial ist. Zum Beispiel den Super-Erfinder Albert Einstein, der in Ulm zur Welt kam. Und Fortbewegungsmittel vom Auto bis zum Zeppelin. Jedes Jahr kommen viele neue Erfindungen hinzu. 2016 etwa waren 30 Prozent der Patentanmeldungen in Deutschland aus Baden-Württemberg. Oft sind es Mittelständler, die fernab der großen Öffentlichkeit mit ihren Neuheiten Probleme in aller Welt lösen.
Beispielsweise die Firma Weckenmann aus Dormettingen. Wie kann man schnell günstigen Wohnraum schaffen? Für diese aktuelle Herausforderung, die Politikern vieler Länder Kopfzerbrechen bereitet, hat der 130-Mann-Betrieb aus dem Zollernalbkreis eine hilfreiche Lösung entwickelt. Das Unternehmen baut schlüsselfertige Fabriken zur Herstellung von Betonfertigteilen, für den Wohnungs- und Industriebau. Der neueste Clou ist eine mobile Fabrik, die beim Immobilienbau viel Zeit und Geld spart.
Dank herausragender Lösungen des Mittelstands ist die Region spitze
Etwa zehn Lastwagen bringen die Anlage direkt zur Baustelle. Einmal aufgebaut, spuckt sie an Ort und Stelle die benötigten Wand- und Deckenteile der neuen Gebäude aus, just in time. Der teure und aufwendige Transport von einer Fabrik zur Baustelle erübrigt sich dadurch, was zudem die Umwelt schont. Die Spitzen-Idee wurde 2016 mit dem Landesinnovationspreis Baden-Württembergs ausgezeichnet.
Mit diesem Preis würdigt das Wirtschaftsministerium Mittelständler, die dazu beitragen, „dass Baden-Württemberg die bundesweit führende Innovations- und Wirtschaftsregion ist und bleibt“. Das Konzept der „mobilen Batterieschalung“ von Weckenmann könne einen entscheidenden Beitrag leisten, den wachsenden Bedarf an Wohnraum in vielen Ländern zu decken, lobt das Ministerium.
Die mobile Fabrik aus Dormettingen stößt bei Bauherren in aller Welt auf Interesse. „Wir haben bereits Anfragen aus verschiedenen Ländern“, freut sich Vanessa Herre, die bei dem wachsenden Unternehmen für den Bereich Marketing verantwortlich ist. Zwei Baufirmen in Singapur arbeiteten bereits mit der mobilen Batterieschalung, erzählt sie, eine von ihnen nun schon auf der zweiten Baustelle. „Unsere mobile Fabrik ist ideal für Metropolen wie Singapur, wo die Platzverhältnisse beengt sind“, erklärt Herre. „Wir können damit aber auch Regionen mit schlechter Infrastruktur viel besser als bisher erreichen.“ Sprich: Für wachsende Schwellenländer ist die Neuheit interessant.
Sensoren lassen Autos und Waschmaschinen „denken“
Auch aus vielen anderen Betrieben Baden-Württembergs kommen Innovationen, die rund um den Globus gefragt sind. In Calw beispielsweise entwickelt das Unternehmen Seuffer Sensoren, die Haushaltsgeräte und Fahrzeuge aller erdenklichen Marken immer noch ein bisschen intelligenter machen. Roman Gruden hat sich bei Seuffer beispielsweise jahrelang darüber Gedanken gemacht, wie Waschmaschinen künftig bei der Waschmittel-Dosierung helfen könnten. Denn: „Es wird fast nie die optimale Menge an Waschmitteln eingesetzt“, weiß er. Meistens werde um bis zu 40 Prozent überdosiert – was höhere Kosten und eine stärkere Umweltbelastung verursacht.
Gruden hat einen neuen Sensor entwickelt und darüber seine Doktorarbeit geschrieben. Dieser Supersensor berücksichtigt nicht nur den Härtegrad des Wassers, sondern auch den Verschmutzungsgrad der Wäsche, sodass exakt die optimale Menge Waschmittel eingesetzt werden kann. Auf den Markt kommt er in den nächsten Jahren. In vielen Waschmaschinen sind heute schon andere schlaue Sensoren von Seuffer eingebaut. Ein „3-D-Sensor“ etwa verhindert Unwuchten im Schleudergang und verlängert so auch die Lebensdauer der Maschine. Am Hauptsitz in Calw hat Seuffer rund 400 Mitarbeiter, in der Gruppe insgesamt sind es 750 Beschäftigte.
Auch in Fahrzeugen ermöglichen Sensoren aus Calw immer wieder neue Zusatzfunktionen. In Lkws etwa sorgt so ein Winzling dafür, dass der Fahrer in der Pause nicht den kompletten Strom etwa für Kaffeemaschine und Radio verbraucht – damit der Laster auch wieder anfährt. Im Köcher hat Seuffer unter anderem auch eine intelligente Neuentwicklung, welche die Lebensdauer einer Bremse überwacht.
Neue Ideen sind ein entscheidender Vorteil
Die Entwicklung neuer Lösungen sei für das Unternehmen überlebenswichtig, sagt Martin Schaller: Er ist in der Seuffer-Geschäftsleitung speziell dafür verantwortlich. „Es ist unser entscheidender Wettbewerbsvorteil, dass wir unseren Kunden offensiv neue Ideen präsentieren.“ Deshalb hat das Unternehmen vor drei Jahren auch extra eine Entwicklungspartnerschaft mit dem Werkzeughersteller Hilti gegründet. 14 Mitarbeiter beider Firmen erarbeiten nun in Calw gemeinsam Ideen, wie Geräten und Fahrzeugen mit Elektronik und Sensorik noch mehr Intelligenz eingehaucht werden kann.
Der Aufwand, der in neuen Produkten steckt, ist jedenfalls oft riesig, sagt Geschäftsleitungs-Mitglied Schaller: „Von einer Idee bis zur Marktreife vergehen im Schnitt sieben Jahre.“
Wer hat’s erfunden?
Erst arm und ausgelacht, dann berühmt und beneidet: So ging es manchem Erfinder aus dem Südwesten. Hier einige kleine Anekdoten.
- Ferdinand Graf von Zeppelin sah im deutsch-französischen Krieg 1870/71, wie Menschen aus Paris mit Ballons evakuiert wurden. Die waren hilflos dem Wind ausgesetzt. Das beschäftigte den Grafen aus Konstanz. Ende des 19. Jahrhunderts erfand er ein lenkbares Luftschiff, den Zeppelin.
- Carl Friedrich Benz (Mannheim) wurde für seinen Traum von einer motorisierten Kutsche verspottet. 1885 brachte er das Auto auf die Straße.
- Zwei Mechaniker der Firma Fein aus Schwäbisch Gmünd sollten 1895 viele Löcher per Hand bohren. Weil ihnen das zu mühsam war, bauten sie die erste elektrische Bohrmaschine.
- Anfang des 20. Jahrhunderts boomte die Puppen-Industrie – doch es gab noch kein einziges Plüschtier mit beweglichen Gliedmaßen. Also brachte Richard Steiff aus Giengen/Brenz 1904 den ersten Teddybären auf den Markt.
- Robert Kull aus Cannstatt wollte seiner Frau Pauline das Spätzle-Schaben erleichtern und erfand 1936 die Spätzle-Presse, die heute noch von der Firma Kull produziert wird.
- Weil es ihn nicht zufriedenstellte, dass man Schrauben mit Holzkeilen oder Eisenteilen befestigte, erfand Artur Fischer aus Tumlingen 1958 den Dübel aus Nylon. Er machte insgesamt 1.100 Erfindungen, darunter auch den Synchronblitz, der heute in jeder Kamera steckt.