Mannheim. Thomas Sondermann und Kai Sicker sind auf dem Weg zu ihren Arbeitsplätzen. Gleich steuern sie ihren fahrbaren Untersatz auf die Plattform des Spezialaufzugs in der Mannheimer ABB-Zentrale, und schon geht es die Treppe hoch. Die beiden sind gehbehindert. Aber das ist für ihren Arbeitgeber nebensächlich. Was zählt, ist ihre Qualifikation.
Sicker hat früher im Kanalbau gearbeitet. Seit einem Unfall im Jahr 2010 ist er Rollstuhlfahrer. „Wenn man so eine Behinderung hat, ist es nicht leicht, überhaupt eine Arbeit zu finden“, sagt er. „Oft scheitert es ja schon daran, dass das Umfeld nicht barrierefrei ist.“
Im Zuge einer Umschulung durch die Arbeitsagentur war der 34-Jährige zunächst Praktikant bei ABB – daraus ist eine feste Stelle als Teamassistent im Personalbereich geworden. Sicker kümmert sich etwa um Zeiterfassung und Materialbeschaffung.
Förderung ist Teil der Unternehmenskultur
10.770 Menschen arbeiten insgesamt bei ABB in Deutschland, etwa 5 Prozent von ihnen haben schwere Behinderungen. Anne Süß aus dem Personalbereich schildert: „Die Förderung von Menschen mit Einschränkungen hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert.“ Süß ist Beauftragte des Unternehmens für die Angelegenheiten von Schwerbehinderten. „Menschen mit Behinderungen können genauso leistungsfähig sein wie andere“, erklärt sie, „und sind für uns genauso bereichernd.“ Soziale Verantwortung zu zeigen und sich für die Gesellschaft einzusetzen, ist Teil der Unternehmenskultur des Technologiekonzerns.
Die Einstellung von Kai Sicker vor drei Jahren nahm das Unternehmen zum Anlass, einen Spezialaufzug und automatische Türöffner zu installieren. „Diese Maßnahmen der Barrierefreiheit kommen unserem Unternehmen in vielerlei Hinsicht zugute“, erklärt Personalerin Süß. Auch in der Produktion würden Mitarbeiter mit körperlichen Einschränkungen unterstützt, wo das möglich sei – beispielsweise durch Hebehilfen.
Thomas Sondermann ist schon von Geburt an gehbehindert, aber erst seit 2015 auf einen Elektroroller angewiesen. Der 44-Jährige ist Psychologe und arbeitet bei ABB in der Personalentwicklung. „Hier kann ich ganz normal arbeiten“, sagt er, „das ist für mich ein großes Stück Lebensqualität.“
Projekt „Wirtschaft inklusiv“ hilft Betrieben
Um Mitarbeiter mit Behinderungen noch besser fördern zu können, nutzt ABB das Projekt „Wirtschaft inklusiv“, das Unternehmen für die Ausbildung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen sensibilisiert und im Bedarfsfall konkrete Unterstützung bietet. Der Arbeitgeberverband Südwestmetall und das Bildungswerk der Baden-Württembergischen Wirtschaft sind Partner des vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales geförderten Programms. Personalerin Süß schildert: „Dieses Projekt haben wir vor allem genutzt, um Anregungen aus anderen Unternehmen zu bekommen.“
Heidi Manhart leitet das Projekt beim Bildungswerk. Der Bedarf vonseiten der Betriebe ist groß: „Seit Februar 2014 haben wir 246 Beratungsgespräche mit Unternehmen geführt“, so Manhart. Sie und ihre zwei Kollegen helfen zum Beispiel dabei, Bedenken abzubauen und das Thema Inklusion, also die Integration von Menschen mit Behinderungen, systematisch im Unternehmen zu verankern. Außerdem stellen sie Kontakte zu den zuständigen Behörden und Kostenträgern her und informieren über mögliche Unterstützungsleistungen. Im Netzwerk bringen sie Unternehmen zusammen, die Interesse an einem Austausch haben.
Bei ABB meint Anne Süß: „Inklusion ist dann erreicht, wenn man über das Thema gar nicht mehr sprechen muss.“