Südlich von Koblenz wird die Mosel in eine enge Kurve gezwungen. Durch das harte Gestein des Calmont gibt es für den Fluss sonst kein Durchkommen. Rund 380 Meter hoch ragt der Bergkamm empor und schützt das Moseltal vor den kalten nördlichen Winden. An seinem Südhang, der mit bis zu 68 Grad Neigung nach unten abfällt, wird seit der Römerzeit Wein angebaut. Ein uraltes Kulturgut, das Winzer wie Kilian Franzen für kommende Generationen bewahren – in mühsamer Handarbeit.
Denn moderne Landwirtschaftstechnik stößt in der Steillage schnell an ihre Grenzen. Zumindest bisher. Das Forschungsprojekt „Smarter Weinberg“ will das ändern. Forschenden der Universität Koblenz haben in den vergangenen drei Jahren Techniken entwickelt und erprobt, um den Weinbau an Steilhängen wirtschaftlich und ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Gelänge das, würde das nicht nur Kilian Franzen die Arbeit erleichtern.
Schwere Maschinen finden am Steilhang keinen Halt
„Immer mehr Winzer geben iIhre Rebflächen im steilen Gelände auf, es lohnt sich finanziell kaum und die Arbeit ist hart“, sagt Franzen. Gemeinsam mit seiner Frau führt er das Weingut in sechster Generation – an den Arbeitsschritten hat sich über die Jahrzehnte hinweg kaum etwas verändert. Auf den rund elf Hektar Land ist immer noch jeder Schritt Handarbeit. Rund 90.000 Kilo Trauben tragen Franzen und seine Mitarbeiter jedes Jahr aus dem Weinberg: Stück für Stück und auf dem Rücken. Etwa 2.000 Arbeitsstunden pro Jahr und Hektar fallen auf dem Weingut an.
Arbeitsschritte zu automatisieren, ist ein Wunsch, aber auch eine Herausforderung. „Raupenfahrzeuge, die den Boden mulchen oder die Reben entlauben, müssen mit einer Seilwinde hinabgelassen und auch wieder hochgezogen werden“, erklärt Franzen. An den steilen Hängen finden die schweren Maschinen keinen Halt. Der enorme Aufwand birgt auch ein hohes Unfallrisiko – immer wieder verunglücken Winzer bei den komplizierten Maschinen-Einsätzen.
Um solche Arbeitsschritte zu optimieren, ging 2021 das vom Bund geförderte Forschungsprojekt „Smarter Weinberg“ an den Start. „Ein stabiles Kommunikationsnetz ist die Voraussetzung, um neue Techniken in der Praxis zu erproben “, sagt Professorin Maria Wimmer von der Universität Koblenz. Unter ihrer Leitung wurde etwa ein Roboter entwickelt, der sich anstelle der schweren Landmaschinen autonom durch den Weinstock bewegen und die Pflegearbeiten zwischen den Reben erledigen kann.
Dessen Steuerung ist auf einen schnellen Datenaustausch angewiesen, genauso wie die Wetterstationen, die zwischen den Pflanzen montiert wurden. „Unsere Sensoren informieren in Echtzeit über die Luft- und Blattfeuchte im Weinberg. KI-Tools berechnen automatisch das Risiko eines Pilzbefalls, und der Winzer kann notfalls direkt handeln“, erklärt Wimmer.
Ergänzt wird die Technik durch Hightech-Drohnen in der Luft. Die Flugobjekte können mithilfe von Multispektralkameras einen digitalen Zwilling des Weinbergs erstellen. „Wir können uns so einen Gesamtüberblick über den Zustand der Reben einholen und dann ganz gezielt für Arbeiten in den Berg gehen“, sagt Winzer Franzen.
Pflanzenschutz wurde bisher mit dem Hubschrauber verteilt
Mit den Drohnen kann zudem auch Pflanzenschutzmittel aufgetragen werden. Eine Aufgabe, die bisher Hubschrauber übernahmen – doch deren Einsatz an Steillagen soll weiter eingeschränkt werden. Ein ernsthaftes Problem für die Winzer vor Ort, denn dort ist ein Auftragen der Schutzmittel vom Boden aus nicht möglich. „Wenn wir kein Pflanzenschutzmittel auftragen, ist unsere Ernte gleich null“, betont Franzen. Mithilfe der Drohnen können Pflanzenschutzmittel künftig aus geringerer Höhe abgegeben werden, was angrenzende Ökosysteme schützt.
Außerdem müssen Drohnenflüge – anders als Hubschrauberflüge – nicht Monate im Voraus angemeldet werden. „Das erlaubt uns eine große Flexibilität. Wir können nach Bedarf handeln und gezielt geschädigte Pflanzen anfliegen“, so Franzen. Mit dem Einsatz der technischen Helfer sollen nicht nur bestehende Rebflächen erhalten werden. Auch die Rekultivierung brach gelegter Weinstöcke ist ein Ziel des Projekts. Denn die Verbuschung einzelner Parzellen inmitten des Weinbergs dient etwa Vögeln und Wildschweinen als Unterschlupf, die die Ernte zerstören. Auch droht ein erhöhter Pilzbefall an den Reben, wenn die Luftfeuchtigkeit an den Weinbergen durch verwilderte Flächen steigt.
Ganz nebenbei sind die steilen Hänge der Flusstäler von Mosel, Rhein, Main, Neckar und Elbe auch starke Touristenmagnete. Nach Angaben des Deutschen Weininstituts liegen rund 14 Prozent der deutschen Rebflächen in solchen Steillagen. Verschwinden die Weinberge, drohen gleich zwei Wirtschaftszweige in den Regionen wegzubrechen – der Weinbau und der Tourismus.
Für Kilian Franzen hängt es nun auch vom Engagement der Winzer vor Ort ab: „Wir müssen uns zusammentun und wieder geschlossene Rebflächen herstellen. Gemeinsam lässt sich auch die Technik finanzieren, die unsere Weinberge zukunftsfähig macht“.
Wirtschaftskraft deutscher Weinbau
- 10.500 Winzer-Betriebe beschäftigten 2023 rund 16.500 Menschen in Vollzeit
- Der Umsatz betrug im Vorjahr rund 3,8 Milliarden Euro
- Über 103.000 Hektar werden durch Winzer in Deutschland bewirtschaftet
- Die Weinproduktion lag 2023 bei 8,6 Millionen Hektoliter
Zahlen: Statistisches Bundesamt

Nadine Keuthen stürzt sich bei aktiv gerne auf Themen aus der Welt der Wissenschaft und Forschung. Die Begeisterung dafür haben ihr Masterstudium Technik- und Innovationskommunikation und ihre Zeit beim Kinderradio geweckt. Zuvor wurde sie an der Hochschule Macromedia als Journalistin ausgebildet und arbeitete im Lokalfunk und in der Sportberichterstattung. Sobald die Sonne scheint, ist Nadine mit dem Camper unterwegs und schnürt die Wanderschuhe.
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