Gleich zu Beginn der Corona-Pandemie registrierte das Mainzer Familienunternehmen Werner & Mertz – bekannt für die „Frosch“-Reinigungsmittel – eine erhöhte Nachfrage: „Da waren wir alle noch sehr entspannt“, berichtet Unternehmenssprecherin Birgitta Schenz. Doch mit den ersten Corona-Fällen in Europa schossen die Bestellungen von Seife, Oberflächenreinigern und Desinfektionsmitteln in die Höhe: „Die Bestellungen überstiegen schnell unsere eigenen freien Produktionskapazitäten, aber auch die der Lieferanten.“

Eine Taskforce entstand. Ihre Ziele: die Belegschaft schützen und europaweit die Versorgung der Bevölkerung mit notwendigen Produkten sicherstellen. Schenz resümiert: „Kurzarbeit gab es bei uns nie. Unser Betrieb ist systemrelevant und läuft bis heute auf Hochtouren.“

Zertifizierungen laufen online

Ein Team kümmerte sich um die Beschaffung der Rohstoffe, ein anderes gemeinsam mit der Geschäftsführung um interne Prozesse: „Wie können wir mit der Pandemie umgehen? Eine bisher nicht da gewesene Herausforderung“, erzählt Personalleiterin Nadja Janzer. Umgehend erhielt die Belegschaft Masken und Desinfektionsmittel, auch für den persönlichen Bedarf.

Die Abläufe im Betrieb wurden strengen Hygieneregeln unterworfen, ein raffiniertes Zeit-Raum-Konzept entwickelt: „Wir haben sichergestellt, dass die Produktion weiterläuft, selbst wenn sich jemand mit dem Virus infiziert.“ Die IT richtete Homeoffice-Plätze ein und ermöglichte digitale Meetings.

Selbst eine anspruchsvolle Umweltprüfung nach Vorgaben der EU (das sogenannte EMAS-Audit) erfolgte im Laufe des Jahres online. Eine Webseite im Intranet informiert bis heute rund um Corona. „Wir verzeichnen täglich bis zu 200 Zugriffe unserer knapp 800 Mitarbeiter in Deutschland und Österreich“, sagt Janzer.

„Wir haben das Chaos hinter uns gelassen und Flexibilität gewonnen“

Doch zurück zum Frühjahr, als das Telefon der firmeneigenen Verbraucherberatung Sturm klingelte: „Alle wollten wissen, welche unserer Reiniger auch desinfizieren oder wie viel Alkohol sie enthalten“, so Schenz. Das Beratungsteam wies zudem stets auf gründliches Händewaschen zum eigenen Schutz hin: „Es war sehr viel Besorgnis bei den Anrufern zu spüren.“ Um den hohen Bedarf an Desinfektionsmitteln zu decken, entwickelte die „Professional“-Sparte in kürzester Zeit eine neue Rezeptur zur Händedesinfektion aus verfügbaren Rohstoffen: Binnen einer Woche waren die Zutaten beschafft, das Mittel produziert und die notwendigen Dokumente besorgt.

„Die Eindämmung der Pandemie hat für uns momentan oberste Priorität – auch ohne einen wirtschaftlichen Nutzen“, verkündete Inhaber Reinhard Schneider. Und entschied, zugunsten der Desinfektionsmittelherstellung andere Produkte zurückzufahren, etwa den Umsatzbringer Spiritus Glas-Reiniger. Die Multifunktionsanlagen in der Fertigung erhielten neue Module, die Produktion für Desinfektionsmittel vervierfachte sich: Von Januar bis Anfang April 2020 stellte Werner & Mertz 348.000 Liter her, überwiegend am österreichischen Standort in Hallein. Man arbeitete im Dreischichtbetrieb, „24 Stunden, mehr gibt der Tag nicht her“, so Schneider.

Beeindruckende Solidarität

Mainzer Krankenhäuser und Rettungsdienste erhielten das Mittel – sowie mehr als 500 Kliniken in ganz Europa. „Das war eine teamübergreifende Aufgabe“, erzählt Schenz. „Wir mussten ausreichend Desinfektionsmittel herstellen, die richtigen Päckchengrößen für den Export finden und die Vorgaben der anderen Länder checken.“ Alle halfen, machten Überstunden, der Außendienst befüllte sogar Regale im überlasteten Handel. Eine beeindruckende Solidarität: „Die Belegschaft hat Sensationelles geleistet, trotz der Doppelbelastung mit Kita und Schulen“, lobt die Personalchefin.

Auch die Geschäftsführung verhält sich vorbildlich: Mitarbeiter, die selbst einer Risikogruppe angehören oder für deren Partner das gilt, werden bis zum Ende der Pandemie bei vollem Gehalt freigestellt. Die zweite Corona-Welle nimmt Werner & Mertz trotz der unvermindert hohen Anforderungen gelassen: „Unsere Prozesse funktionieren, das Team ist eingespielt, virtuelle Sitzungen und Homeoffice sind jetzt vertraut“, versichert Schenz. „Wir haben das Chaos hinter uns gelassen, an Flexibilität gewonnen und gehen bedacht miteinander um.“

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Sabine Latorre
Leiterin aktiv-Redaktion Rhein-Main

Dr. Sabine Latorre ist spezialisiert auf Themen aus der Chemie- und Pharma-Industrie. Sie liebt es, komplizierte Zusammenhänge einfach darzustellen – so schon vor ihrer Zeit bei aktiv als Lehrerin sowie als Redakteurin für die Uniklinik Heidelberg und bei „BILD“. Nebenbei schreibt sie naturwissenschaftliche Sachbücher für Kitas und Schulen. Privat reizen sie Reisen sowie handwerkliche und sportliche Herausforderungen.

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