Weinheim. Sechs junge Männer stehen zum ersten Mal an der Werkbank. Sie machen ein Praktikum – und betreten nicht nur beruflich Neuland. Denn Yaman, Abdul-Hakim, Ahmed, Hawree, Abdourahman und Brice bauen ihr gesamtes Leben neu auf.
Sie sind aus Syrien, Afghanistan, dem Irak, Kamerun und Gambia geflüchtet. An der Weinheimer Hans-Freudenberg-Schule machen sie nun ein berufliches Vorbereitungsjahr. Neben Deutsch, Mathe und Englisch stehen auch kulturelle und berufsbezogene Inhalte auf dem Stundenplan.
„Wir machen sie für eine Ausbildung in einfachen Berufen wie Metallbauer oder Maschinen- und Anlagenführer fit“, erklärt Schulleiterin Kreszentia Amann. „Denn die sind am Arbeitsmarkt gefragt.“ Den Lehrplan hat sie mit der Freudenberg Gruppe entwickelt. Zwecks Praxis verbringen die jungen Männer viermal im Jahr ein zweiwöchiges Praktikum im Unternehmen.
Dass der Berufseinstieg für Geflüchtete nicht leicht ist, weiß auch Rainer Kuntz, Leiter der Ausbildung bei Freudenberg. Die Hürden sind enorm, auch für die Unternehmen: geringe Sprachkenntnisse, fehlende Schulzeugnisse, rechtliche Unsicherheit.
Viele müssen Geld für die Familie in der Heimat verdienen
So stand erst am ersten Praktikumstag fest, wie viele junge Leute anfangen. Kuntz sagt: „Im Rahmen der Freudenberg-Hilfsinitiative für Flüchtlinge leisten wir einen Beitrag zur Integration.“
Zunächst musste man erklären, was eine Ausbildung überhaupt ist. Viele Flüchtlinge können damit wenig anfangen – sie wollen sofort studieren, auch wenn das nicht für alle der richtige Weg ist. Viele stünden unter Druck, berichtet der Ausbildungsleiter, schnell Geld zu verdienen: um die Familie in der Heimat zu versorgen. „Da liegt es näher, einfache Hilfsjobs anzunehmen – leider. Entsprechend wichtig ist, dass wir ihnen den Wert der dualen Ausbildung und die persönlichen Entwicklungschancen vermitteln.“
Mindestens genauso wichtig ist es, möglichst schnell die praktischen Fähigkeiten kennenzulernen: „Wenn Zeugnisse fehlen und es an Deutschkenntnissen mangelt, kommt es umso mehr auf die Leistung in der Lehrwerkstatt an“, so Kuntz. „Nur wenn wir sie realistisch einschätzen, können wir sie auch richtig unterstützen.“
Finanziert wird das Praktikum durch Spenden der Freudenberg-Hilfsinitiative für Flüchtlinge. In gemeinsamen Pausen und beim Mittag gibt es täglichen Kontakt zu den deutschen Azubis.
Freudenberg selbst hat für einfache Metallberufe keinen Bedarf. Deshalb rührt man schon jetzt die Werbetrommel: Für das Frühjahr 2017 ist ein „Schnuppertag“ geplant – und Betriebe aus der Region kommen in die Lehrwerkstatt, um die Praktikanten kennenzulernen.
Kuntz: „Nach Praktikumsende wollen wir möglichst viele in ein Ausbildungsverhältnis vermitteln.“