Buseck. Produktpiraterie? Allein das Wort bringt Professor Emil Schubert in Fahrt. „Wenn’s blöd läuft, endet der Einsatz gefälschter Schweißbrenner mit Verletzungen“, sagt der Ingenieur. Und zeigt eine Raubkopie aus China: Eine stromführende Schraube ist nicht richtig abgedeckt. „Wer da drankommt, wenn das Ding unter Strom steht, riskiert einen unangenehmen Stromschlag“, sagt er.
Schubert ist Geschäftsführer von Alexander Binzel Schweisstechnik. Unter dem Markennamen Abicor Binzel ist das Unternehmen aus Buseck bei Gießen weltweiter Marktführer für Schutzgas-Schweiß- und Schneidbrenner der gängigsten Verfahren MIG/MAG, WIG und Plasma – und Opfer von Fälschungen.
Dreiste Kopierer gefährden Millionen Jobs in der Industrie
Kein Einzelfall: Begehrlich und aggressiv nehmen Nachmacher Produkte aus Europa ins Visier.
Unternehmen auf dem Kontinent machen Billionen-Umsätze mit Produkten, die man profitabel fälschen kann – von der Luxus-Uhr über den E-Motor bis zur kompletten Maschine. Raubkopien seien eine Gefahr für die Jobs von europaweit 77 Millionen Arbeitnehmern, heißt es beim Industrieverband ZVEI.
Allein im deutschen Maschinenbau beträgt der geschätzte Schaden 7,3 Milliarden Euro – und zwar pro Jahr! In einer Umfrage des Branchenverbands VDMA benannten vor kurzem 83 Prozent der rund 3.100 Mitglieder China als das Land, in dem am meisten kopiert wird.
Die Folgen zeigt das Beispiel Abicor Binzel. Mehr als 600.000 Brenner werden jedes Jahr produziert, von der Massenware bis zum kundenspezifischen Einzelstück. Fast 12.000 verschiedene Brenner, Verschleißteile und Zubehörartikel sind im Angebot. Damit setzte das 1945 gegründete Unternehmen, das weltweit 1.000 Mitarbeiter hat, im vergangenen Jahr 140 Millionen Euro um.
Umsatz und Mitarbeiterzahl könnten deutlich höher liegen – aber: Abicor Binzel gehört eben zu den meistkopierten Marken der Welt. „Und dafür zahlen wir hier die Zeche“, sagt Schubert. 70 Prozent aller Schweißbrenner am Markt werden nach der in Hessen entwickelten Konstruktion gebaut – „aber nur die Hälfte ist von uns, weil andere fleißig abkupfern, spätestens, wenn Patente und andere Schutzrechte abgelaufen sind“.
Dazu kommen Schäden beim Image oder ungerechtfertigte Regressforderungen, wenn ein vermeintliches Markenprodukt nicht funktioniert: „Viele glauben, sie hätten ein Originalprodukt in der Hand und beschweren sich dann bei den Originalherstellern.“
Schubert hat das Thema daher schon vor Jahren zur Chefsache gemacht. Bei allen großen Messen klappert er persönlich mit einem Anwalt und einem Fotografen die Stände ab, lässt besonders dreiste Kopien sofort entfernen. „Unsere Marke ist unser wertvollster Besitz – und dafür kämpfen wir.“ Dabei setzt die Firma auch auf innovative technische Neuerungen und auf neue ergonomische Designs für die Handgriffe – spätestens alle zehn Jahre. Denn so lange sind sie über ein Geschmacksmuster geschützt.
Auch Verschleißteile werden nachgemacht
Nachgemacht werden auch Verschleißteile – etwa die Stromdüsen, durch die der Schweißdraht zum Abschmelzen geführt wird. Die sind Massenware, allein Abicor Binzel produziert pro Jahr über 30 Millionen Stück (in alle ist das weltweit geschützte „Binzel B“ eingeprägt). Schubert erklärt: „Ist die Bohrung in dieser Düse nicht exakt, brennt der Draht beim Schweißen fest – und das gefälschte ,Schnäppchen‘ kostet dann richtig Geld.“