Münster. Zügig passiert Beate Welp-Gerdes das Technikum und den Kälte-Klima-Raum. Umrundet zwei junge Männer im Handwerkerdress und betritt das Nähatelier. „Wir sind hier Exoten“, sagt die Leiterin der Schule für Modemacher in Münster – einer staatlich anerkannten, privaten Ergänzungsschule, die seit 2004 in den Räumen des Handwerkskammerbildungszentrums Münster Nachwuchs für die Modebranche ausbildet. Produktmanagement für Modedesign und Bekleidung heißt die Ausbildung. Was dahintersteckt, zeigt ein kleines Shop-Modell in Puppenhausgröße. Es steht im Nähatelier der Schule – mit Figuren und Verkaufsregalen aus Pappe. Sogar winzige Blusen und Hosen sind zu sehen.

Das Arrangement gehört zu einer Semesterarbeit der Abschlussklasse, die Anfang 2017 ihre dreieinhalbjährige Ausbildung beenden wird. „Wir sollten uns überlegen, wie wir eine Kollektion am Verkaufspunkt möglichst kundendfreundlich präsentieren“, erklärt die angehende Produktmanagerin Jana Sziesze. Das sei das Besondere an der Ausbildung: „Wir wollen Mode verkaufen und nicht nur designen. Alles dreht sich dabei um die Zielkunden“, so die 21-jährige Dorstenerin.

Deshalb etwa müssen sie und ihre beiden Kolleginnen Kristin Bütergerds und Nele Gräwer schon bei der Auswahl von Stoffen, bei Zutaten wie Knöpfen oder bei Schnitt und Design darauf achten, wie die Kollektion auf dem Bügel aussieht. „Das gehört nicht zu den üblichen Aufgaben eines Designers“, weiß Welp-Gerdes, die selbst Jahre in der Modebranche tätig war.

In der Schule in Münster formen 25 Dozenten Modemacher mit Bodenhaftung statt abgehobene Designer

Das 25-köpfige Dozententeam formt in der siebensemestrigen Ausbildung Modemacher mit Bodenhaftung statt abgehobene Designer. Als Produktmanager sind sie später in den Unternehmen die Schnittstelle zwischen Vertrieb, Design, Marketing und Geschäftsführung. Der Lehrplan ist ehrgeizig. Auf ihm stehen Klassiker wie Modezeichnen und Gestaltungslehre, er vermittelt Kenntnisse in Schnittkonstruktion und Fertigungs- sowie Verfahrenstechniken. Am Ende des fünften Semesters steht die Gesellenprüfung zum Maßschneider. Wie man eine Marke entwickelt, vermarktet und platziert – und das im Shop vor Ort wie online, steht ebenfalls auf dem Lehrplan. Hinzu kommen Betriebswirtschaftslehre und Business-English.

Die Theorie wird kombiniert mit praktischen Erfahrungen. Alle Absolventen besuchen etwa die Stoffmesse Munich Fabric Start in München, suchen in Modegeschäften in Köln oder Düsseldorf nach Trends und absolvieren im sechsten Semester ein Unternehmenspraktikum.

Praktikanten sind bei Unternehmen gefragt

Nele Gräwer etwa designte während dieser Zeit für den Herrenausstatter Bugatti eine Business-Combi aus Sakko – und Joggjeans. „Vielleicht schafft sie es nächstes Jahr in die Kollektion.“ Ihre Kollegin Kristin Bütergerds tüftelt an Reise-Outfits: Kommen die aus dem Koffer, sollen sie direkt vorzeigbar sein. Und Rabe-Praktikantin Sziesze, die bald bei dem Unternehmen aus Hilter (Niedersachsen) fest angestellt sein wird, entwickelte ein Marketingkonzept für ihre 20-teilige Kollektion – einschließlich Logo und Vermarktungsstrategie.

„Unser Nachwuchs ist gefragt“, gibt sich Welp-Gerdes selbstbewusst. Das zeigt sich auch bei der Modenschau der Schule, die jedes Jahr im Januar stattfindet.

Die besuchen auch Firmenvertreter. Welp-Gerdes: „Um sich unsere Absolventen anzuschauen – und um sich vielleicht so manchen neuen Trend abzuschauen.“

Das sagen die Absolventinnen:

Kristin Bütergerds war als Praktikantin bei Gerry Weber in Halle.

„Ich konnte im Praktikum schnell mein theoretisches Wissen anwenden. Die Schule hat uns gut vorbereitet.“

Jana Sziesze hat ein Jobangebot vom Strickspezialisten Rabe in Hilter.

„Die Arbeit im Unternehmen hat mir genau gezeigt, wo ich in Zukunft am liebsten arbeiten möchte.“

Nele Gräwer absolvierte ihr Praktikum bei Bugatti in Mönchengladbach.

„Es motiviert sehr, wenn man sieht, wie die eigenen Ideen ernst genommen und umgesetzt werden.“