Remscheid. Ein Block aus 18 Tonnen Stahl, orange leuchtend, fast 1.000 Grad heiß. Tim Seuberth steht in seiner Schutzkleidung ungerührt nur einen Meter davor und markiert mit einem einfachen Metallstab Maße drauf, bevor die gewaltige Schmiedepresse wieder ihre Arbeit verrichtet. Rummms!

Ganz normaler Alltag für den Schmied. Seuberth arbeitet seit mehr als zehn Jahren bei der Karl Diederichs KG in Remscheid – einem Unternehmen, das unter dem Markennamen Dirostahl Freiformschmiedestücke für den gesamten Maschinenbau herstellt, unter anderem für Werkzeug- und Textilmaschinen oder Windkraftanlagen, aber auch beispielsweise Antriebswellen für Schiffe.

„Ich habe eigentlich Schreiner gelernt, aber in dem Beruf gibt es heutzutage wenig Arbeit und wenig Geld. Da habe ich was anderes gesucht“, sagt Seuberth.

Angefangen hat er vor gut zehn Jahren als Schmiedehelfer, nach und nach lernte er von den Kollegen alles, was ein Schmied können muss. Und das ist weit mehr als Hitze aushalten: Seuberth plant und koordiniert die Arbeit an den beiden Schmiedepressen, die Blöcke bis zu 44 Tonnen Gewicht in Form bringen können. Er muss darauf achten, dass die Öfen und Pressen gut ausgelastet sind, er bereitet die Schmiede-Werkzeuge vor und kontrolliert penibel die Einhaltung der Maße.

Riesengefährt hantiert mit glühenden Werkstücken, als wären es Pommes

Drei Jahre lang war Seuberth am 120 Zentner schweren Hammer, der mit schierer Wucht die Metallstücke formt. Heute steht er meist an der Presse, die mit ihrer Hydraulik noch viel kraftvoller arbeitet – und die von sogenannten Manipulatoren mit Material gefüttert wird: Das sind nahezu haushohe Gefährte, die die tonnenschweren Werkstücke vom Ofen zur Presse bringen, als wären es Pommes auf einer Plastikgabel.

Auf so einem „Mani“, wie sie die Geräte hier nennen, hat Seuberth auch eine Zeit lang gesessen. Gesessen eben. „Das ist nichts für mich“, hat er festgestellt. Er brauche Bewegung, neben Planen und Organisieren auch körperliche Arbeit.

An Energie dafür mangelt es ihm mit knapp 40 jedenfalls nicht. Da ist noch genug übrig für die beiden Söhne, für die Arbeit als zweiter Vorsitzender eines Kleingartenvereins, in dem er praktisch jede Veranstaltung organisiert – „die anderen Mitglieder sagen oft, ich hätte Eventmanager werden sollen“.

Dabei wäre auch eine Karriere bei der Bundeswehr drin gewesen. Vier Jahre war Seuberth Soldat, zuletzt Stabsunteroffizier. Und in dieser Zeit hat er auch den Nijmegen-Marsch kennengelernt – eine Veranstaltung mit mehr als 100-jähriger Tradition, bei der jedes Jahr vier Tage lang rund um die niederländische Stadt Nijmegen gewandert wird. Für die Männer liegt die Strecke bei 50 Kilometern. Pro Tag. Viele Soldaten machen hier mit, aber noch mehr Zivilisten.

Bei den Gewaltmärschen gibt’s Blasen gratis

Dreimal hat Seuberth schon in seiner Bundeswehrzeit an dem Marsch teilgenommen, „und zwar freiwillig“! Man marschiert ja sonst kaum bei der Bundeswehr? Er grinst. Dieses Jahr steht dann schon das dritte Mal als Zivilist an. Wie man sich darauf vorbereitet? „Ich jogge viel.“ Ansonsten stünden vorher immer drei, vier längere Wanderungen mit Freunden an. Dass er sich bei dem Extrem-Marsch womöglich Blessuren holt, ist ihm ziemlich egal: „Blasen gibt’s immer, egal, wie gut das Schuhwerk ist.“

Am mollig warmen Arbeitsplatz heilen die Wunden dann wahrscheinlich gut. So furchtbar anstrengend sei die Arbeit als Schmied auch gar nicht, sagt Seuberth. Manchmal hilft er dem Schmiedehelfer beim Schlackeschippen. Nein, eine sitzende Tätigkeit ist wohl eher nichts für Tim Seuberth.

Persönlich

Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?

Die suchten hier einen Schmiede­helfer, und ich habe es einfach ausprobiert. Schnell habe ich gemerkt: Es ist genau das Richtige.

Was reizt Sie am meisten?

Man muss darauf achten, dass möglichst wenig Leerlauf entsteht. Wenn zum Beispiel ein Schmiedeofen unnötig heizt, geht da sehr viel Energie drauf.

Worauf kommt es an?

Es ist die Mischung aus körperlicher Arbeit auf der einen Seite und dem Planen und Organisieren auf der anderen Seite.