Es scheppert und rattert, als der schwarz-gelbe, 120 Meter lange Koloss auf dem Schienenstrang loslegt. Schotter hämmert gegen Stahl, schwitzende Männer mit orangen Warnwesten wuseln umher, Maschinenführer Bernd Bosse brüllt Kommandos in sein Handy. Er ist der Chef des Bahn-Bautrupps.

Und der polternde Riese ist ein Gleisumbauzug, herangeschleppt von einer grünen Diesellok aus DDR-Reichsbahnzeiten. Die 20 Männer des Bautrupps ackern am verkehrsruhigen Sonntag. Doch sie sind im Stress, denn der Zug kam eine Stunde zu spät. „Die müssen wir wieder rausholen“, schimpft Bosse.

Es klirrt wie in einem Leergutautomaten

Langsam bewegt sich unter der kriechenden Maschine ein Band mit einem Magneten knapp übers Schotterbett. Dabei saugt es Schrauben und andere Metallteile an, die der Trupp zuvor von den alten Schienen gelöst hatte. Es klirrt wie in einem Leergutautomaten. Während jemand gegen den Lärm förmlich rausschreit: „Hier arbeiten nur Ossis. Für den Aufbau West.“

Alle Männer auf dem 1,6 Kilometer langen Bauabschnitt zwischen Babenhausen und Seligenstadt in Südhessen kommen aus den neuen Bundesländern. Bosse selbst stammt aus dem Erzgebirge: „Bin alter Reichsbahner. Baue schon seit 40 Jahren.“ Sagt’s – und greift zum Handy.

Schwitzen, schreien, schuften: Wenn die Bahn baut, kommen martialische Maschinen zum Einsatz – und Männer, die kräftig zupacken. In diesem Jahr steckt das Staatsunternehmen 4,4 Milliarden Euro in das bestehende Netz, erneuert allein auf den Hauptverbindungen und in den Knotenpunkten 2 600 Kilometer Schienen, 1.870 Weichen und zwei Millionen Eisenbahnschwellen.

25.000-mal um den Äquator

Außerdem wird in zusätzliche Kapazitäten investiert. „Bis 2025 finanziert der Bund 29 Neubauvorhaben für insgesamt 26 Milliarden Euro“, kündigte jüngst Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer an. Vorhandene Strecken ausbauen, neue Trassen legen – es ist höchste Eisenbahn.

Beispiel Nordrhein-Westfalen: Laut einer Studie der Uni Münster steht das Schienennetz im bevölkerungsreichsten Bundesland kurz vor dem Kollaps. Bis 2025 werde sich allein der Güterverkehr, etwa von den großen Häfen in den Niederlanden und Belgien, fast verdreifachen.

Schon jetzt wird tagtäglich an 700 Bahnbaustellen gearbeitet. Denn das Netz wird stark strapaziert. 39.000 Züge pro Tag legen jedes Jahr eine Milliarde Kilometer zurück – eine Entfernung so groß wie 25.000-mal um den Äquator.

Eine Schiene hält im Schnitt 20 Jahre. Dann muss sie raus. Wie auf der eingleisigen Strecke, an der Bosse und sein Trupp heute malochen.

Es ist die Verbindung Eberbach-Hanau. Bis um elf Uhr in der Nacht sollen die Männer den Schienenstrang erneuern. Die Strecke ist vor allem für Berufspendler wichtig, die sich jeden Werktag Richtung Darmstadt, Frankfurt oder Hanau aufmachen.

Bewältigt wird der Job mit einem sogenannten Schnell­umbauzug. Schnell ist dabei relativ: Weil der Koloss immer mal wieder anhalten muss, schafft er meist gerade mal 200 Meter pro Stunde. Dafür erledigt er alle Schritte in einem Arbeitsgang. Früher mussten Hundertschaften anrücken, um im Schweiße ihres Angesichts im Schotter zu schuften.

Das Verlegen neuer Gleise geschieht heutzutage im Fließbandverfahren. Klauen heben die alten Schienen an, bugsieren sie zur Seite und schieben die neuen Gleisstücke Meter für Meter auf die frisch verlegten Schwellen, die von einem Förderband im Abstand von 60 Zentimetern ganz sachte auf den Schotter plumpsen.

Manchmal sind die Gleise einfach nur störrisch

Zugleich werden die alten Schwellen aus dem Schotter gehoben, per Band quer durch die Maschine transportiert und dann von einem Portalkran abgeholt.

Jetzt aber macht die Technik Ärger. Das Einfädeln der ersten Schiene will nicht klappen. Ein Bauarbeiter drückt hektisch einen Knopf. Doch die alte Schiene schwingt nur hin und her; sie hängt fest. „Verdammter Mist!“, flucht er. Die Männer greifen zu Stangen. Dann endlich löst sie sich.

Maschinenchef Bosse gibt das Zeichen zur Weiterfahrt. Erneut setzt sich der Bauzug in Bewegung. Die Männer haben die meiste Arbeit noch vor sich.

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