Sohland. Der Babysauger – er sieht so einfach aus: Ein Nuckel aus Latex oder Silikon wird ganz simpel mit Ring und Griff montiert und fertig? „Weit gefehlt“, weiß Jörg Schicktanz ganz genau.
„Die Teile sind zum Beispiel per Ultraschall verschweißt“, erklärt der Inhaber des gleichnamigen Kunststoffverarbeiters aus dem sächsischen Sohland (70 Mitarbeiter). „Das Material darf weder Grate haben noch Fremdkörper enthalten. Und die Druckfarben müssen halten!“ Das sei nur ein kleiner Teil dessen, was zu beachten ist.
Einige Zehntausend Schnuller verlassen jedes Jahr die Firma in der Oberlausitz. Jedes einzelne Stück wird per Hand montiert, und stets wird mit einem Messgerät die Zugkraft zwischen Sauger und Ring geprüft. Das garantiert, dass sich die Teile keinesfalls voneinander lösen und das Kleinkind in Gefahr bringen.
Babysauger sind nur eines von durchschnittlich 800 verschiedenen Kunststoffprodukten, die die Firma Schicktanz hochqualitativ in kleinen oder großen Serien herstellt. Auf modernen Spritzgieß-Automaten entstehen, oft mithilfe von Robotern, etwa komplette Gehäuse für die Medizintechnik, Sender für Standheizungen, Autoteile, Atemmasken oder Griffschalen für elektrische Werkzeuge.
Schicktanz, der den Familienbetrieb in der vierten Generation leitet und die fünfte gerade in Gestalt von Sohn Hans-Tobias einarbeitet, weiß: „Je komplizierter das Produkt, desto besser für uns.“ Eine Erfahrung aus der Wendezeit, als er das 1897 vom Urgroßvater gegründete Unternehmen reprivatisierte. Zunächst fokussiert auf die Herstellung von Farbband-Kassetten, erweiterte er zielstrebig nach und nach das Produktspektrum – und damit die Fähigkeiten der Firma sowie den Kundenkreis.
„Mit einfacher Billigproduktion lässt sich nicht genug Gewinn erzielen, den man unbedingt für Modernisierungen braucht“, so Schicktanz. Denn die Technologien und Ansprüche in der Kunststoffverarbeitung entwickeln sich rasant. Das zeigt sich etwa beim gleichzeitigen Verarbeiten von unterschiedlichen Materialien („Zwei-Komponenten-Spritztechnik“) oder beim Lackieren, Bedrucken, Beschriften, Beflammen, Ultraschallschweißen.
Großes Engagement in der Weiterbildung
„Wir haben unseren eigenen Werkzeugbau und eine Konstruktionsabteilung aufgebaut“, berichtet Schicktanz. Heute kann ein Kunde mit einer vagen Idee kommen – und der Mittelständler konstruiert das Produkt, entwickelt das Herstellungsverfahren, baut das Spritzgießwerkzeug und stellt den Artikel in Serie her.
Selbst ein Großkonzern könnte das nicht besser: „Heute haben wir etliche feste Partnerschaften mit renommierten Unternehmen, mit denen wir neue Projekte umsetzen“, sagt der Chef. Die Geschäfte laufen gut, die Gewinne fließen in die Firma zurück.
Auch dem Fachkräftemangel tritt Schicktanz energisch entgegen. Er bildet aus und setzt auf Quereinsteiger, deren „Einstellung zur Arbeit“ stimmt. Qualifiziert werden sie im Polysax-Bildungszentrum Kunststoffe Bautzen, an dessen Entstehen Schicktanz mitwirkte: Es wurde für 4,5 Millionen Euro als Kooperation des Netzwerks der mittelständischen Kunststoff-Industrie in der Oberlausitz auf den Weg gebracht.
Mit Qualifizierung, Weiterbildung und der Ausbildung von jährlich rund 35 Lehrlingen hat das Zentrum mittlerweile überregional Anerkennung gefunden. Hier werden auch Tschechen und Vietnamesen für die Kunststoffbranche ihres eigenen Landes fit gemacht.
Schon Gewusst?
So geht Spritzgießen
- Bei diesem wichtigen Verfahren zur Kunststoffteile-Herstellung wird Plast-Werkstoff in Form eines Granulats portioniert und in eine rotierende Schnecke eingefüllt.
- Er wird bei 160 bis 300 Grad geschmolzen und mit bis zu 2.000 Bar Druck durch eine Düse in die Form (Werkzeug) gespritzt. Dort kühlt die Masse ab und verfestigt sich, und das Formteil kann herausgelöst werden.
- Moderne Maschinen fertigen Produkte mit einem Gewicht von wenigen Milligramm bis zu mehreren Kilogramm. Je nach Material, Komplexität und Größe des Werkstücks müssen die Abläufe in der Maschine exakt ausgeklügelt sein.