Zweimal die Woche leistet die Hanomag Lohnhärterei einen Beitrag zur Rüstung Deutschlands. 800 Stahlhüllen für die 120-Millimeter-Flugabwehrgeschosse von Rheinmetall werden in zwei Chargen in den Öfen des Unternehmens im Westen von Hannover gehärtet. „Wir könnten noch viel mehr machen“, sagt Geschäftsführer Karsten Seehafer. „Die Kapazitäten dafür haben wir.“
Was optimistisch klingt, hat einen ernsten Hintergrund: Das Geschäft des Unternehmens hängt zu 80 Prozent am Automobil. Und da in dieser Branche schon seit einigen Jahren Krise herrscht, fehlen auch der Hanomag Lohnhärterei Aufträge. Deswegen haben Hanomag und andere Autozulieferer derzeit Kapazitäten frei. Diese Lücken könnten perspektivisch auch mit Aufträgen aus der Rüstungsindustrie gefüllt werden. Zumal diese durch die Aussetzung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben gerade stark wächst.
Die Stückzahlen in der Rüstung sind klein
Karsten Seehafer sieht die Verteidigungsindustrie jedoch nicht als Heilsbringer: „Man darf sich jetzt nicht der Illusion hingeben, die Rüstungsbranche sei ein Rettungsanker für das wegbrechende Geschäft.“ Denn auch wenn Expertise aus der Automobilbranche im Verteidigungssektor willkommen ist: Beide Branchen sind nur bedingt miteinander vergleichbar. Das liegt vor allem daran, dass die Autobranche um ein Vielfaches größer ist als der Verteidigungssektor – auch was das Gesamtvolumen der Produkte betrifft. Ein Beispiel: „In Deutschland wurden 2024 mehr als vier Millionen Autos gebaut“, sagt Seehafer. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass wir irgendwann vier Millionen Panzer pro Jahr bauen wollen.“
Den Kontakt zu Rheinmetall pflegt die Hanomag Lohnhärterei seit fast 30 Jahren. Damals, in den 90ern, härteten die Hannoveraner im Auftrag von Rheinmetall Übungsmunition, die von der Bundeswehr auf den Truppenübungsplätzen in der Heide verschossen wurde. Später nahmen erst Konrad Seehafer und später sein Sohn Karsten als Geschäftsführer gelegentlich kleine Aufträge der Munitionsfabrik entgegen. Dann kam der Februar 2022. Russland überfiel die Ukraine. Plötzlich erhielten Zulieferbetriebe nicht nur mehr Aufträge von Rheinmetall und anderen Rüstungsunternehmen – sondern auch Perspektiven in diesem Segment.
Früher friedensbewegt, heute von Verteidigung überzeugt
Karsten Seehafer sieht den Aufwuchs bei der Rüstung mit gemischten Gefühlen: „Ich bin als Kind der 80er mit der Friedensbewegung aufgewachsen. Jetzt wieder über Aufrüstung zu reden, verursacht bei mir ein komisches Gefühl.“ Dennoch hält der Unternehmer eine stärkere Investition in die Verteidigung für richtig. Der Westen habe sich entschieden, die Ukraine militärisch zu unterstützen, sagt er. Diese Verpflichtung gelte es einzuhalten. In unsicheren Zeiten wie diesen müsse sich Deutschland verteidigen können, glaubt Seehafer und kritisiert: „Ich habe oft das Gefühl, dass noch nicht überall angekommen ist, wie sehr das Thema drängt.“
Zwar würden Sondervermögen aufgelegt und Schuldenbremsen ausgesetzt. Trotzdem fehle ihm bislang der Überblick, wie Deutschland konkret seine Verteidigungsziele erreichen will: „Ich habe bislang überhaupt keine Vorstellung davon, was der Verteidigungsmarkt eigentlich will“, sagt Seehafer.
Entsprechend schwierig sei es für Unternehmen wie Hanomag, mit diesem Sektor zu kalkulieren. „Momentan sind die Aufträge von Rheinmetall für uns eine willkommene Ergänzung. Erst recht in diesen für die Automobil-Industrie schwierigen Zeiten.“ Aber einen nennenswerten Einfluss auf das Geschäftsergebnis? Haben sie bisher nicht: Zurzeit machen die Aufträge aus der Verteidigungsbranche bei der Hanomag-Gruppe weniger als 1 Prozent des Gesamtumsatzes von derzeit rund 130 Millionen Euro aus.
Die meisten Teile landen in zivilen Fahrzeugen
Aktuell spielt die Auto-Industrie noch die Hauptrolle für das niedersächsische Unternehmen: Gehärtet werden am Standort vor allem Alu- und Metallteile, die später in zivilen Fahrzeugen verbaut werden. Hanomag-Chef Seehafer glaubt nicht, dass in den Werkhallen demnächst deutlich mehr militärische Teilen bearbeitet werden.
Trotzdem hofft der Unternehmer grundsätzlich auf weitere Aufträge aus dem Verteidigungssektor. Und weil Deutschland stärker als früher in seine Verteidigung investieren will, sind die in Zeiten wie diesen wohl auch durchaus zu erwarten.
Zum Unternehmen
- Die Hanomag Lohnhärterei Gruppe mit Hauptsitz in Hannover beschäftigt europaweit rund 900 Mitarbeiter an 13 Standorten, der Großteil davon in Deutschland.
- Die Firma ist 1986 aus der früheren Betriebshärterei der Hanomag AG hervorgegangen. Seither befindet sie sich im Besitz der Familie Seehafer.
- Das Unternehmen hat sich auf die Wärmebehandlung metallischer Werkstoffe wie Stahl und Alu spezialisiert.