Köln. Fieber, Erbrechen, weiche Knie – auch relativ banale Erkrankungen können einen manchmal außer Gefecht setzen. Dann will man lieber im Bett bleiben, als wegen des gelben Scheins zum Arzt zu laufen. Ist dann eine rückwirkende Krankschreibung möglich? „Grundsätzlich erfolgt die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ab dem Zeitpunkt der ärztlichen Untersuchung“, erklärt die Kölner Fachanwältin für Arbeitsrecht, Nathalie Oberthür, Vorsitzende des Ausschusses Arbeitsrecht beim Deutschen Anwaltsverein.
Eine rückwirkende Krankschreibung ist gar nicht vorgesehen
In der Praxis schreiben die meisten Ärzte oft in solchen Fällen bis zu drei Tage rückwirkend krank, sofern dies aufgrund der Krankheit begründet ist. Der Mediziner kennt schließlich den typischen Krankheitsverlauf und kann nach der Untersuchung abschätzen, wann die Erkrankung begonnen hat. Grundsätzlich gilt allerdings: Eine rückwirkende Krankschreibung ist eigentlich gar nicht vorgesehen.
Egal wie schlecht es einem geht: „Laut Entgeltfortzahlungsgesetz muss der Arbeitnehmer spätestens ab dem vierten Krankheitstag sowieso eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorlegen“, sagt Oberthür. Tut er das nicht, verletzt er seine Meldepflichten, und damit droht eine Abmahnung.
Ohne diese Bescheinigung gibt es außerdem keine Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, denn dann gelten die Krankheitstage als unentschuldigtes Fehlen. Eine rückwirkende Krankschreibung für weiter zurückliegende Erkrankungen steht also schon allein aus diesen Gründen in den allermeisten Fällen sowieso nicht zur Debatte.
Eine rückwirkende Krankschreibung über die Karenztage hinaus ist kaum möglich
In der Praxis wird man es sowieso kaum schaffen, noch Wochen nach der Genesung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten. Wie soll der Arzt prüfen, ob der inzwischen wieder völlig gesunde Patient tatsächlich krank war oder in Wirklichkeit sein Haus renoviert hat? „Ärzte machen sich strafbar, wenn sie falsche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausstellen, und dieses Risiko wird kaum ein Arzt eingehen“, sagt Oberthür. Und selbst wenn man einen Mediziner fände, der in begründeten Sonderfällen ausnahmsweise rückwirkend einen gelben Schein ausstellen würde, sind damit keineswegs alle Probleme gelöst.
Arbeitgeber muss solche Bescheinigungen nicht akzeptieren
„Wurde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung rückwirkend ausgestellt, kann dies ihren Beweiswert erschüttern“, erläutert die Arbeitsrechtlerin. Im Klartext: Der Arbeitgeber muss eine solche rückwirkende Krankschreibung nicht akzeptieren. Der Mitarbeiter muss dann andere Beweise vorlegen, dass er wirklich ernstlich krank war und nicht am Arbeitsplatz erscheinen konnte. „Gelingt dieser Beweis nicht, erhält der Arbeitnehmer trotz Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung keine Entgeltfortzahlung für diese Krankheitstage“, sagt die Juristin.
Ausnahmen sind möglich: Etwa bei einem schweren Unfall
In wenigen Fällen kann die Situation aber auch eindeutig sein, wie etwa nach einem schweren Unfall. In einer solchen Situation ist die Aufregung naturgemäß groß, und die allermeisten Arbeitgeber reagieren dann verständnisvoll. Wer wird schon die völlig verstörten Angehörigen nach der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung fragen, während der Mitarbeiter um sein Leben kämpft? „In derartigen Situationen ist zweifelsfrei nachweisbar, dass und ab welchem Zeitpunkt der Arbeitnehmer tatsächlich arbeitsunfähig erkrankt war, und damit muss der Arbeitgeber auch eine entsprechende rückwirkende Krankschreibung akzeptieren.“
Silke Becker studierte Soziologie, BWL, Pädagogik und Philosophie. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Redakteurin und freie Journalistin. Außerdem hat sie mehrere Bücher veröffentlicht. Am liebsten beschäftigt sie sich mit den Themen Geld, Recht, Immobilien, Rente und Pflege.
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