Frank Böttchers Einstellung zum Thema Nachhaltigkeit lässt sich so zusammenfassen: Am Anfang stand eine wirtschaftliche Notwendigkeit, aus der über die Jahre eine starke Überzeugung gewachsen ist. „Ich hatte in den ersten 20 Jahren in der Chemie viel mit Restrukturierungen und Produktionsverlagerungen nach Asien zu tun“, erzählt der Geschäftsführer von Rhenoflex. „Wir haben einige Produkte nur deshalb in Europa halten können, weil wir Innovationen und Nachhaltigkeit hier schneller verankert haben als dort.“

Das war zu Beginn von Böttchers Karriere, als er nach dem BWL-Studium für ein deutsches Chemieunternehmen tätig war. 2012 fing er beim Dualen System Deutschland an, dem Unternehmen hinter dem Grünen Punkt. Und seit November 2017 lenkt er Rhenoflex. Die Ludwigshafener sind Technologieführer und wichtigster Ideengeber auf dem Markt für Verstärkungsmaterialien. Vor allem für Schuhe, zunehmend für Lifestyle-Artikel wie Uhren, Gürtel und Handtaschen. „Vor dem Grünen Punkt habe ich die Pflichtthemen zur Nachhaltigkeit gelernt, beim Grünen Punkt kam die Kür hinzu. Und dieses Selbstverständnis habe ich mitgebracht“, sagt der 59-Jährige. „Mich muss man nicht überreden, nachhaltig zu handeln. Ich will das tun.“

Materialien für Schuhe: Nachhaltige Rohstoffe immer wichtiger

Neben dem Wissen über Rohstoffe, Recycling und Rücknahmesysteme hat Böttcher auch den Fokus auf Innovationen und Kundenorientierung zu Rhenoflex mitgebracht. Er bezeichnet Rhenoflex als „Lösungsanbieter“ für Kundenprobleme. Etwa für Zehen- und Fersenkappen in bequemen Sneakers und leichten Laufschuhen, in hochwertigen Pumps und festen Stiefeln. Oder für ein Material, mit dem die VR-Brille von Google komfortabel auf dem Gesicht sitzt: „Wenn schwierige Aufgaben in der Entwicklung eines Schuhs oder Lifestyle-Produkts anstehen, wird die Rhenoflex mit als Erste an den Tisch geholt“, sagt Böttcher.

Mehr als 500 Materialien umfasst das Rhenoflex-Angebot. 75 Prozent bestehen inzwischen ganz oder teilweise aus nachhaltigen Rohstoffen, einige sind sogar vegan. Eine Entwicklung, die in den 90er Jahren begann und die Böttcher und sein Managementteam intensiviert haben. Genutzt werden natürliche Rohstoffe wie Reisschalen und Stroh genauso wie recycelte Kunststoffe. Darunter sind Abfälle aus der CD- und DVD-Produktion sowie Polyester aus dem Medizinbereich. Ständig prüft Rhenoflex neue Quellen, Böttcher nennt etwa Lignin, einen Stoff, der bei der Holzverarbeitung abfällt. Bereits in der Entwicklung ist eine Produktlinie, die 75 Prozent rezyklierte Konsumentenabfälle enthält. „Wir entwickeln unseren Polymerbaukasten so weiter, dass er immer nachhaltiger wird“, sagt Böttcher. „Von mir aus könnten es bis 2025 auch 100 Prozent sein.“

Böttchers Überzeugung fällt zusammen mit einem Megatrend am Markt: Viele Menschen konsumieren nachhaltiger, was Hersteller anspornt, nachhaltiger zu produzieren – und bei Rhenoflex werden sie fündig. Das Unternehmen arbeitet mit Marken wie Adidas und Nike, Gucci und Louis Vuitton. „Die kommunizieren Nachhaltigkeit nicht nur, sondern trimmen auch ihre Stoffströme entsprechend“, beobachtet Böttcher. „So entstehen Volumina, auf die sich eine ganze Industrie einstellen kann.“ Nachhaltigkeit wird also wirtschaftlich nachhaltig.

Rhenoflex: Innovationen bei Produkten und Prozessen

Der einzige Treiber für Innovationen bei Rhenoflex ist sie aber nicht. Böttcher lobt den „gut ausgebildeten, hoch motivierten Mix aus jungen und erfahrenen Leuten“, der die weltweit gut 300 Mitarbeiter ausmacht. Kürzlich hätten sie 100 Vorschläge für die Rhenoflex-Nachhaltigkeitsagenda gesammelt. Mit vier Fertigungs- und acht Vertriebsstandorten bedient Rhenoflex mehr als 400 Kunden. Wichtigster Markt ist China, wo zwei Drittel der Jahresproduktion von 25 Milliarden Paar Schuhen entstehen. Dabei unterstützt Rhenoflex auch mit Verfahren wie Rhenoprint, mit dem kundenspezifisch und abfallfrei produziert werden kann. Es spart zudem Zeit und Geld, weil Kunden passgenaue Teile erhalten, die sie nicht wie üblich aus Stanzbögen lösen und nachbearbeiten müssen.

Mehr als 50 Patente hat Rhenoflex bereits angemeldet. Aktuell laufen gleich mehrere Innovationsprogramme, einige mit Partnern aus Industrie und Hochschulen. Eines dreht sich um Lederreste als Verstärkungsmaterial, ein anderes um die Digitalisierung: Beim Smart Shoe wolle man vom Lösungsanbieter zum Technologiepartner reifen, sagt Böttcher. Stichwort: RFID-Chips, die im Schuh Daten sammeln; mehr will er nicht verraten. Nur so viel: „Wenn ich erzähle, was wir da vorhaben, sagen meine Kinder: Echt super.“

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