München. Zum dritten Mal in Folge ist der vbw-Index der Bayerischen Wirtschaft deutlich gesunken, auf nunmehr 99 Punkte.

Der Index ermittelt halbjährlich, wie die Lage bei Wachstum und Beschäftigung in den Unternehmen im Freistaat aussieht – und was diese von der Zukunft erwarten. Über das Ergebnis sprach aktiv mit Wolfram Hatz, Präsident der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) sowie der bayerischen Metall- und Elektroarbeitgeberverbände bayme vbm.

Der vbw-Index liegt auf dem niedrigsten Stand seit neuneinhalb Jahren. Was heißt das konkret für die bayerische Wirtschaft?

Das heißt ganz klar: Die Wirtschaft befindet sich im Abschwung. Und unsere Metall- und Elektro-Industrie (M+E) steckt in einer echten Rezession.

Wie schwierig ist die Lage?

Die Industrieproduktion sinkt schon das sechste Quartal in Folge. Besonders stark betroffen ist die Automobil- und Zuliefererbranche. Außerhalb der Industrie läuft es nach wie vor gut, etwa im Bau, Handel, Handwerk oder in der Gastronomie. Wir erleben derzeit eine gespaltene Konjunktur.

Abwärtstrend: Der vbw Index ist innerhalb eines halben Jahres von 120 auf nur noch 99 Punkte im Herbst 2019 gesunken.

Wie wirkt sich die Rezession aus?

Sie ist schon auf dem Arbeitsmarkt zu spüren. Zwar lag die Arbeitslosenquote im November insgesamt bei nur 2,7 Prozent in Bayern. Doch die Nachfrage nach Arbeitskräften geht zurück. Industriebetriebe reagieren, indem sie Arbeitszeitkonten abbauen und die Wochenarbeitszeit reduzieren. Fast 14 Prozent der M+E-Betriebe arbeiten schon kurz, das ist der höchste Stand seit 2010. Weitere 21 Prozent der Betriebe planen Kurzarbeit.

Übrigens steigt in den nicht-industriellen Bereichen die Unsicherheit, dass sie vom Abschwung angesteckt werden. Eine Besserung ist nicht in Sicht.

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„Wir stehen sowohl vor konjunkturellen Schwierigkeiten als auch vor strukturellen Herausforderungen“

Wolfram Hatz

Welche Gründe gibt es für den Abschwung?

Die Gründe sind vielfältig. Etwa das schwache außenwirtschaftliche Umfeld, der Brexit oder der stagnierende Welthandel aufgrund geopolitischer Spannungen und verschiedener Handelskonflikte. Das alles wirkt sich negativ auf die Exporte aus.

Diese unsichere Lage führt zu geringeren Investitionen der Betriebe. Entscheidend ist aber, dass die Industrie derzeit nicht nur vor konjunkturellen Schwierigkeiten steht, sondern auch vor strukturellen Herausforderungen.

Was sind das für strukturelle Herausforderungen?

Die Rahmenbedingungen verändern sich derzeit, etwa durch die Energiewende, den Strukturwandel in der Automobil-Industrie oder den Fachkräftemangel. Zudem müssen die Betriebe den rasanten und tiefgreifenden technologischen Wandel bewältigen. Das ist allerdings auch eine Chance für unsere Industrie. Denn wir können diese Herausforderung nur durch Innovationen lösen – und diese kommen aus der Industrie.

Was braucht die Wirtschaft, um voranzukommen?

Unser Ziel muss es sein, die Industrie im internationalen Vergleich wieder wettbewerbsfähig zu machen, sie zu stärken. Dafür brauchen wir ein Wachstumsprogramm, etwa mit steuerlichen Impulsen, Bürokratieabbau sowie wettbewerbsfähigen Strom- und Energiepreisen. Dazu gehört auch, dass wir die Löhne wieder stärker an der Produktivität orientieren.

Das betrifft die Tarifparteien ...

Das ist richtig. Auch sie müssen einen starken Beitrag zum Wachstum leisten. Schließlich ist es so: Wir haben in den vergangenen Jahren den lohnpolitischen Weg der Vernunft verlassen. Die Tariflöhne in der Industrie sind seit Ende der Wirtschaftskrise um fast 30 Prozent gestiegen – der Produktivitätsfortschritt betrug aber nur gut 7 Prozent!

Diesen Weg können wir nicht weitergehen. Wir müssen die Arbeitskosten auf einem international wettbewerbsfähigen Niveau halten. Zudem müssen wir besonders in der jetzigen Rezession den unterschiedlichen Belangen der Firmen gerecht werden.

Was heißt das für die Tarifverträge?

Es ist nötig, Öffnungsklauseln und variable Elemente einzubauen, die die Betriebsparteien als Option nutzen können. Denn die Tarifverträge sollen Mindeststandards abbilden und einen Rahmen schaffen, aber nicht jedes Detail regeln.

Inwiefern hilft das der Wettbewerbsfähigkeit?

Die Metall- und Elektroindustrie ist sehr heterogen, mit unterschiedlichen Branchen und Betriebsgrößen vom Mittelständler bis zum Weltkonzern.

Wie es individuell vor Ort aussieht und was notwendig ist, um auch in Zukunft sichere Jobs zu bieten, weiß jeder Betrieb selbst am besten. Wir wollen daher jedem ermöglichen, spezifische Regelungen zu treffen. Das verhilft den Unternehmen zu mehr Flexibilität – was wiederum die Tarifbindung stützt, den Standort stärkt und so die Wettbewerbsfähigkeit steigert.