Berlin. Der Plan ist 182 Seiten dick und enthält eine Liste mit mehr als 1.000 Projekten. Sie betreffen Millionen Bundesbürger – und entscheiden darüber, wo Pendler in Zukunft leichter ans Ziel kommen und Bahnfahren erträglicher wird. Kurzum: Bei diesem Riesenwerk geht es um Deutschlands Mobilität von morgen und übermorgen.

Der neue Bundesverkehrswegeplan (kurz BVWP) wurde im August vom Bundeskabinett beschlossen. Jetzt muss noch der Bundestag zustimmen. Der Megaplan setzt den Rahmen für die wichtigsten Verkehrsinvestitionen bis 2030 in die deutsche Infrastruktur.

Die 30 teuersten Vorhaben der Republik hat AKTIV aufdrei Landkarten (am Ende dieses Artikels) zusammengestellt – für Straße, Schiene und Wasserwege.

Fast 270 Milliarden Euro ist der Bundesverkehrswegeplan schwer – ein Rekord in der Geschichte der stets auf 15 Jahre angelegten Konzepte. Mit dieser Summe sollen unter anderem 2.000 stauträchtige Autobahnkilometer ausgebaut und Nadelöhre auf 800 Kilometer Schienenstrecken beseitigt werden.

Verkehrsminister Alexander Dobrindt spricht vom „größten Update für die deutsche Infrastruktur aller Zeiten“. 49 Prozent der Mittel entfallen auf Fernstraßen, 42 Prozent auf Bahnstrecken, der Rest auf die Binnenschifffahrt.

„Ein ambitionierter Plan, der die richtigen Prioritäten setzt“, sagt Stefan Gerwens, Geschäftsführer des Verbands Pro Mobilität in Berlin. Die Straße habe schließlich die größte Bedeutung: „85 Prozent des Personenverkehrs und 70 Prozent des Güterverkehrs laufen über die Straße“, so der Logistik-Experte.

Der Plan sei ein „Anti-Stau-Programm“, das auch der Umwelt nütze, weil die Schadstoffbelastung sinken werde. Laut Verkehrsministerium können durch die Beseitigung von Engpässen jährlich 160 Millionen Stunden Stillstand oder Stop-and-go-Verkehr vermieden werden.

Auch sei es richtig, dass der Erhalt und Ausbau von Verkehrswegen im Vordergrund stehe. Dafür sind 69 Prozent, also mehr als zwei Drittel der Mittel, vorgesehen.

Wer sich die Mühe macht, das Planungspapier durchzulesen, sollte sein Augenmerk ausschließlich auf die Projekte des sogenannten „Vordringlichen Bedarfs und des Vordringlichen Bedarfs Engpassbeseitigung“ richten. Das sind Vorhaben der wichtigsten Kategorie. Nur die werden aller Voraussicht nach in den nächsten 20 Jahren auch realisiert. Ihre Finanzierung ist recht sicher. Milliarden fließen dabei vor allem in den Ausbau von überlasteten Autobahnen – wie etwa die A 3 in Nordrhein-Westfalen, die A 6 südöstlich von Mannheim und die A 8 von München nach Rosenheim. Zu den teuersten Bahnprojekten zählt der Ausbau der Verbindung Karlsruhe – Basel zur Hochgeschwindigkeitstrasse für Züge mit bis zu 250 Stundenkilometern.

Dass der Investitionsbedarf gewaltig ist, zeigt das Beispiel Straße: Bundesweit gelten 12.000 Fernstraßenbrücken als sanierungsbedürftig, weitere 2.500 als dringend reparaturwürdig. Vor allem die in den 50er- und 60er-Jahren gebauten Autobahnbrücken aus Spannbeton bröseln.

Laut Analyse des Weltwirtschaftsforums hat sich die Qualität der deutschen Infrastruktur in den letzten Jahren stark verschlechtert. Während die Bundesrepublik beim Straßenzustand bis 2010 zu den Top Fünf der 150 analysierten Länder zählte, ist sie nun auf Platz 13 abgerutscht. Ein dramatischer Verfall.

Zudem gab in einer Umfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW) rund ein Viertel der Unternehmen an, dass die Probleme im Straßenverkehr ihre Geschäftsabläufe „deutlich beeinträchtigen“. Das kann man im besonders verkehrsreichen Westen tagtäglich beobachten. Wegen der verschlissenen Autobahn A 45 von Siegen nach Hagen und der für dicke Brummis gesperrten Leverkusener Rheinbrücke auf der A 1 müssen Schwertransporte große Umwege nehmen, was die Kosten für die Betriebe nach oben treibt.

Bis aber die Bagger anrollen, vergehen noch Monate und Jahre. Zunächst muss der Bundestag die entsprechenden Ausbaugesetze auf den Weg bringen. Wie schnell sich die Projekte durchziehen lassen, ist allerdings auch von Preissteigerungen abhängig. Die sind im Plan nicht berücksichtigt. Zudem ist die rasche Umsetzung der Vorhaben nicht nur eine Frage des Geldes, warnt Mobilitätsexperte Gerwens: „In den Behörden der Länder fehlen Fachleute für die Detailplanung, weil der Staat in der Vergangenheit viel Personal abgebaut hat.“ Zwar hat der Bund in diesem Jahr die Investitionsmittel für Autobahnen und Bundesstraßen um gut 1 Milliarde auf 6,3 Milliarden Euro aufgestockt. Doch es kommt vor, dass die Mittel gar nicht abgerufen werden können.

Das größte Plus bei den Finanz-Zuweisungen kann Bayern verbuchen – der Freistaat darf fast 200 Millionen Euro mehr verbauen als 2015. Grund: seine leistungsfähige Straßenbaubehörde. In ihren Schubladen liegt eine Reihe von fertig geplanten Projekten, die zügig angepackt werden können.

Der schnelle Ausbau der bundesweiten Verkehrsinfrastruktur ist für die Wirtschaft entscheidend – und nicht zuletzt auch für die Arbeitsplätze und den Wohlstand.

Die teuersten Projekte

1 Autobahndreieck Westerstede <> Hohenfelde bei Itzehoe. Neubau der vierspurigen Küstenautobahn A 20, Kosten: 3,40 Milliarden Euro

2 Kreuz Dortmund-Hafen <> Autobahnkreuz Gambach. Kompletter Ausbau der A 45 auf sechs Spuren, Neubau von Talbrücken, Kosten: 3,02 Milliarden Euro

3 Autobahnkreuz München-Süd <> Anschlussstelle Traunstein/Siegsdorf. Ausbau der A 8 auf sechs beziehungsweise acht Spuren, Kosten: 1,28 Milliarden Euro

4 Dreieck Reiskirchen (bei Gießen) <> Darmstädter Kreuz. Erweiterung der A 5 auf sechs bis zehn Spuren, Neubau von Autobahnkreuzen, Kosten: 1,26 Milliarden Euro

5 Köln-Königsforst <> Dinslaken-Nord. Weitgehender Ausbau der A 3 auf acht Spuren, Kosten: 1,10 Milliarden Euro

6 Lüneburg-Nord <> Weyhausen. Vierspuriger Neubau der A 39, Kosten: 1,08 Milliarden Euro

7 Kelberg <> Ascheberg. Vier- bis sechsspuriger Neu- und Ausbau der A 1, Kosten: 1,02 Milliarden Euro

8 Kreuz Mannheim <> Landesgrenze Baden-Württemberg/Bayern. Erweiterung der A 6 auf sechs Spuren, Kosten: 904,7 Millionen Euro

9 Kreuz Hamburg-Süderelbe <> Hamburg-Stillhorn. Verlängerung der A 26, welche die A 1 mit der A 7 verbinden soll (Hafenautobahn), Kosten: 896 Millionen Euro

10 Bliesheim <> Mendig. Erweiterung der A 61 auf sechs Spuren, Kosten: 763 Millionen Euro

11 Kreuz München-West <> Kreuz München-Süd. Ausbau der A 99 auf sechs bis neun Spuren, Kosten: 757 Millionen Euro

12 Meppen <> Cloppenburg. Neu- und Ausbau der B 213 auf vier Spuren, Kosten: 719 Millionen Euro

13 Dreieck Bonn-Nordost <> Kreuz Duisburg-Nord. Teilweise Erweiterung der A 59 auf sechs bis acht Spuren, Kosten: 718 Millionen Euro

14 Kreuz Kaiserberg <> Kreuz Dortmund/Unna. Sechsspuriger Ausbau der A 40, Kosten: 713 Millionen Euro

15 München-Steinhausen <> Pocking. Vier- bis sechsspuriger Aus- beziehungsweise Neubau der A 94, Kosten: 687,2 Millionen Euro

16 Dahlenwarsleben <> Wittenberge. Neubau der vierspurigen A 14, Kosten: 673 Millionen Euro

17 Wiesbadener Kreuz <> Kreuz Offenbach. Erweiterung der A 3 auf acht beziehungsweise zehn Spuren, Neubau von Autobahnkreuzen, Kosten: 644 Millionen Euro

18 Kreuz Mönchengladbach <> Gelsenkirchen-Buer. Ausbau der A 52 auf sechs Spuren, Neubau zwischen Kreuz Essen/Gladbeck und Gelsenkirchen-Buer, Kosten: 638 Millionen Euro

19 Rheinfelden <> Tiengen. Neubau der A 98 zunächst mit zwei Spuren, Kosten: 581 Millionen Euro

20 Dreieck Mönchhof <> Lorsch. Erweiterung der A 67 auf sechs Spuren, Kosten: 579 Millionen Euro

 

1 Karlsruhe <> Basel. Aus- und Neubau für bis zu Tempo 250, Güterzugtunnel Offenburg, Kosten: 6,39 Milliarden Euro

2 Frankfurt <> Karlsruhe/Hagen <> Hanau. Neubau bis zu Tempo 300 zwischen Zeppelinheim und Mannheim-Waldhof, Ausbau auf Tempo 200 Richtung Karlsruhe, Ausbau Hagen-Hanau, Kosten: 4,39 Milliarden Euro

3 Hanau <> Würzburg/Fulda <> Erfurt. Aus- und Neubau für bis zu Tempo 250, Kosten: 4,25 Milliarden Euro

4 Hamburg <> Hannover/Langwedel <> Minden/Wunstorf <> Langwedel. Aus- und Neubau für bis zu Tempo 250, Elektrifizierung Langwedel-Uelzen, höhere Kapazität, Kosten: 3,89 Milliarden Euro

5 Köln <> Münster. Ausbau für den Rhein-Ruhr-Express, zusätzliche Gleise, Kosten: 2,47 Milliarden Euro

 

1 Mannheim <> Plochingen. Verlängerung der Neckarschleusen, Kosten: 1,18 Milliarden Euro

2 Lauenburg <> Lübeck. Ausbau des Elbe-Lübeck-Kanals, Kosten: 838 Millionen Euro

3 Wesel <> Marl. Ausbau des Wesel-Datteln-Kanals bis Marl, Neubau von Schleusen, Kosten: 646 Millionen Euro

4 Koblenz <> Trier. Ausbau von sieben Mosel-Schleusen, Kosten: 579 Millionen Euro

5 Rheine <> Papenburg. Ausbau der Nordstrecke des Dortmund-Ems-Kanals, Kosten: 543 Millionen Euro

* Vorhaben des „Vordinglichen Bedarfs und des Vordringlichen Bedarfs Engpassbeseitigung“; Quelle: BVMI