München/Berlin. Ein beleidigender Kommentar über Flüchtlinge in der Pause. Der fremdenfeindliche Witz auf Kosten eines ausländischen Kollegen in der Umkleide. Oder die rassistische Hetze auf Facebook oder Whatsapp: Das gibt es leider alles viel zu häufig.
Immer öfter begegnen Menschen in ihrem Job den hässlichen Ausprägungen von offenem Rassismus. Das zeigen jedenfalls Zahlen der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin. Von den 3.455 Beratungsanfragen, die 2018 von Betroffenen gestellt wurden, betraf mehr als jede Dritte das Arbeitsleben.
wer im Betrieb von Diskriminierung betroffen war, musste in mehr als jedem vierten Fall rassistische Äußerungen über sich ergehen lassen.
Offener und direkter Widerspruch ist ganz wichtig
Für Kollegen, die so etwas mitbekommen, drängt sich die Frage auf: Wie geht man selbst im Arbeitsalltag mit widerlichen Äußerungen von Kollegen um? „Es fällt vielen Menschen, die nicht selbst von Rassismus betroffen sind, persönlich schwer, sich gegen solche Kommentare zu positionieren“, weiß Matthias Lorenz von der mobilen Beratungsstelle gegen Rechtsextremismus in Bayern. Der Sozialwissenschaftler berät zum Beispiel Unternehmen und Behörden im Umgang mit Rassismus und Antisemitismus.
Er rät zu direktem und klarem Entgegentreten: „Offener Widerspruch ist in solchen Fällen ganz wichtig! Der Widerspruch sollte unmissverständlich, zeitnah und direkt geäußert werden.“ Und dann über das Gesagte diskutieren? „Nein“, so Lorenz, „zunächst reichen die klare Positionierung und zwei, drei Sätze zur Erklärung.“ Wer sich nämlich auf eine Diskussion einließe, der mache rassistische Äußerungen erst diskutabel: Das sollte man vermeiden.
Natürlich braucht es Mut für so eine direkte Konfrontation. Sie hilft aber nicht nur dem Betroffenen, sondern strahlt auch positiv auf andere aus. „Dem Verursacher der Äußerungen gibt man dadurch die Möglichkeit, über das Gesagte nachzudenken, es zurückzunehmen, sich im besten Falle zu entschuldigen und sich zukünftig anders zu verhalten“, so Lorenz. „Gleichzeitig sendet man ein Signal der Solidarität an den oder die Betroffenen.“ Zögerliche Kollegen wiederum motiviert man, sich beim nächsten Mal selbst zu positionieren.
Bei wiederholten Problemen sollte man sich ruhig mit Kollegen über das weitere Vorgehen abstimmen. Das Argument, solch offener Widerspruch könne den Betriebsfrieden stören, lässt der Experte nicht gelten: „Langfristig ist es für das Betriebsklima viel fataler, wenn sich Betroffene zurückziehen oder gar kündigen, weil sie in der Firma ausgegrenzt oder angefeindet werden.“
Das bestätigt auch Kristina Harrer-Kouliev, Juristin bei der Bundesvereinigungung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). „Bei Rassismus, Antisemitismus oder generell Äußerungen, die die Würde des Menschen verletzen, dulden Unternehmen null Toleranz.“ Beschäftigte, die in dieser Weise auffallen, müssen mit Konsequenzen rechnen. Das gilt etwa auch für digitale Hetze auf Facebook.
Konsequenzen können massiv sein
Kommt eine zum Beispiel rassistische Pöbelei in der Belegschaft vor und wird gemeldet, muss der Fall einzeln vom Betrieb bewertet werden. „Es geht dabei dann um die Schwere der Äußerungen, deren Häufigkeit und in welchem Umfeld sie gemacht worden sind“, erklärt die Juristin. „Aber auch darum, ob der Arbeitnehmer Reue zeigt und wie er sich zuvor auf der Arbeit verhalten hat.“ Die Konsequenzen für den Einzelnen können letztlich massiv sein – und bis zur fristlosen Kündigung reichen.
Erste Anlaufstelle für Betroffene sowie für aufmerksame Kollegen sind der Vorgesetzte, die Personalabteilung oder auch der Betriebsrat. In größeren Unternehmen gibt es sogar firmeneigene Antidiskriminierungsstellen, die solche Meldungen ebenfalls vertraulich behandeln. Hilfreich ist eine präzise Dokumentation der problematischen Äußerungen: Was wurde genau gesagt? Wann? In welchem Umfeld? „Die Dokumentation gibt der Beschwerde mehr Gewicht“, so Berater Matthias Lorenz, „der Vorfall kann dann nicht so schnell als vermeintliche Lappalie abgetan werden.“
Lorenz empfiehlt generell antidiskriminierende Strukturen in den Unternehmen: Leitlinien etwa, Unternehmensprogramme oder Betriebsvereinbarungen. Als Zeichen an die Belegschaft müsse da klar formuliert werden: „Jemand, der rassistischen und antisemitischen Äußerungen widerspricht, ist kein Störenfried – sondern ein mutiges Vorbild.“
Hilfe von Fachleuten
Antidiskriminierungsstelle. Die Einrichtung des Bundes berät Betroffene – und unterstützt auf Wunsch bei einer gütlichen Ein gung. Direkter Kontakt per E-Mail: beratung@ads.bund.de
Mobile Beratung. Das bundesweite Netzwerk mit lokalen Ansprechpartnern in jedem Bundesland berät Unternehmen, Behörden und andere öffentliche Institutionen beim Thema Rechtsextremismus und Rassismus. Infos online: bundesverband-mobile-beratung.de
Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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