Kurzarbeit hier, Entlassungen da: Die aktuelle Lage auf dem Arbeitsmarkt täuscht über die Tatsache hinweg, dass in Unternehmen in Bayern und ganz Deutschland mittel- bis langfristig Fachkräfte fehlen werden. Denn die geburtenstarken Jahrgänge aus den 1960er-Jahren scheiden nach und nach aus dem Erwerbsleben aus, es kommen aber viel weniger Jüngere nach, die die Lücke füllen können.
Bis Mitte der 2030er-Jahre könnten so laut aktueller Bevölkerungsvorausberechnung bis zu 4,8 Millionen weniger Erwerbsfähige für den Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Wie groß die Lücke tatsächlich wird, hängt etwa davon ab, wie stark die Zuwanderung schwankt.
Online-Plattform bringt arbeitswillige Rentner und Firmen zusammen
Mit der „Babyboomer-Generation“ gehen erfahrene Fachkräfte in den Ruhestand. Ihr Know-how könnte jedoch in vielen Betrieben durchaus noch gewinnbringend genutzt werden. Andere europäische Länder setzen schon viel länger auf die Erfahrung Älterer. So arbeitet etwa in Estland schon gut jeder Dritte im Alter von 65 bis 69 Jahren, in Schweden oder Dänemark immerhin knapp 28 Prozent. In Deutschland dagegen sind nur gut 20 Prozent der 65- bis 69-Jährigen erwerbstätig. Das könnten mehr sein, schließlich fühlt sich, dank längerer Lebenserwartung, ein guter Teil der Ruheständler noch fit genug, einem Job nachzugehen.
Um arbeitswillige Rentnerinnen und Rentner und Unternehmen zusammenzubringen, hat die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) bereits 2023 das Projekt „Talente in Rente“ gestartet. Es ist Teil der Initiative Fachkräftesicherung+, die von den Verbänden 2018 gemeinsam mit der Bayerischen Staatsregierung ins Leben gerufen wurde.
Anders als bei jungen Fachkräften, die oft erst nach längerer Anwerbephase in die Firma kommen, sind Ruheständler kurzfristig verfügbar. Bertram Brossardt, vbw-Hauptgeschäftsführer, sieht genau darin den Vorteil: „Talente in Rente hat einen Soforteffekt. Die Betriebe werden dabei unterstützt, ihre offenen Stellen schnell und effektiv zu besetzen.“
Dreh- und Angelpunkt des Projekts ist die Online-Plattform talenteinrente.bayern. Dort können sowohl Unternehmen Stellenanzeigen aufgeben als auch Ruheständler sich und ihre Kompetenzen registrieren und gezielt nach passenden Jobs fahnden.
Wichtig ist Brossardt, dass durch solche Projekte das Arbeiten im Alter erleichtert und die Fachkräftelücke kleiner wird. Das sichere auch den Wirtschaftsstandort, so Brossardt: „Wenn ein Unternehmen vor Ort nicht genügend oder genug passende Beschäftigte findet, bleibt oft nur die Verlagerung ins Ausland oder die Geschäftsaufgabe.“