Wer Zeitung liest, bekommt mit: Die Welt verändert sich. Was bedeutet das aktuell für die Industrie?
Da ist zunächst eine riesige technologische Herausforderung: Die digitale Transformation treibt uns unaufhaltsam. Sie verändert Produktionsketten und Marktstrukturen. Dazu kommt der gesellschaftliche Wandel: Menschen legen mehr Wert auf einen Ausgleich zwischen Arbeit und Freizeit.
Wie wirkt sich das aus?
Der Tarifvertrag für die bayerische Metall- und Elektroindustrie beispielsweise bietet besonders belasteten Arbeitnehmern die Option, zwischen Lohn und Freizeit zu wählen. Die Präferenz weist in Richtung Freizeit.
Betriebe und Beschäftigte müssen ja auch immer flexibler werden. Passen unsere Gesetze da noch?
Nein. Das Arbeitszeitgesetz orientiert sich an einem Zeitkontingent für den Tag. Arbeitszeiten lassen sich aber vom Arbeitsort zunehmend entkoppeln, durch digitale Technik und neue Kommunikationsformen. Die Menschen wollen die Möglichkeit souverän nutzen, Arbeit über den Tag zu verteilen. Deshalb ist die Vorgabe für die Ruhezeit nicht mehr zeitgemäß. Das muss der Gesetzgeber dringend ändern.
Die Wirtschaft Bayerns hängt stark am Export. Wie gefährlich sind da neue Handelsschranken, etwa in den USA?
Die Unsicherheit für die Unternehmen ist gestiegen, was die Rahmenbedingungen des Freihandels und die Arbeitsteilung in den internationalen Lieferketten angeht. Das liegt an den Konflikten mit den USA, an China und an ungeklärten Fragen innerhalb der Europäischen Union. Gerade Bayerns Industrie steht zwar hervorragend da mit ihren Hochqualitätsprodukten, ergänzt durch Dienstleistungen. Die starke Position auf den Weltmärkten aber ist kein Selbstläufer. Um diese Stärke zu bewahren, muss es gelingen, dem Einsatz für Freihandel vorrangig politische Priorität einzuräumen.
Das ist ein Appell an die Politik. Wie sieht es denn mit der Leistungsfähigkeit der Unternehmen aus?
Anhand unserer Analysen sehen wir, dass die bayerischen Unternehmen ganz besonders gut aufgestellt sind. Das liegt an der Diversifizierung ihrer Angebote und ihrer Innovationskraft. Und natürlich auch an der guten Infrastruktur, die im Freistaat stetig entwickelt worden ist. In der gegenwärtigen Situation ist das ein großer Vorteil. Das zeigt sich ja auch an der niedrigsten Arbeitslosenquote aller Bundesländer.
Wie lässt sich das für die Zukunft sichern?
Durch Abbau von unnötiger Bürokratie und langen Verzögerungen in der Verwaltung kann da der Staat viel beitragen, auch jenseits von Steuer- und Arbeitsmarktpolitik. Denn man darf nicht vergessen: Alle diese Rahmenbedingungen wirken sich auf die Beschäftigung aus. Die Überschüsse im deutschen Staatshaushalt sind nicht der Schuldenbremse zu verdanken, sondern der enormen Beschäftigungsdynamik. Ihretwegen sind die realen Steuereinnahmen pro Kopf der Bundesbürger so hoch wie noch nie.
Die Konjunktur läuft noch ganz gut, aber die Arbeitskräfte werden schon knapp.
Richtig. Da gibt es das Alterungsphänomen, also den demografischen Wandel – auch wenn die Bevölkerung durch die Migrationsentwicklung erst mal weniger schrumpft als früher errechnet. Zum anderen ändert sich die Nachfrage nach Arbeit, weil die digitale Transformation andere Qualifikationen erfordert. Wir müssen also den Menschen durch gezielte Weiterbildung die Chance geben, die veränderten Anforderungen zu bewältigen. Es wäre daher fatal, wenn Unternehmen wieder auf Vorruhestandsprogramme einschwenken nach dem Motto: Die Alten können wir nicht mehr weiterentwickeln.
Jeder wird gebraucht: Für Bayerns Arbeitnehmer ist das doch eine gute Perspektive.
Wir haben jedenfalls keinen Grund, pessimistisch zu sein, solange wir uns den Anforderungen der Zukunft stellen.
Mehr zum Themen-Special
Arbeitswelt im Wandel: Die Mitarbeiter in Bayerns Metall- und Elektroindustrie haben durchaus Grund zum Optimismus. Das zeigt das aktiv-Themen-Special anlässlich des 1. Mai. Hier geht’s zur Einführung.
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