Schwungvoll wedelt sie mit einem Duftstreifen vor ihrer Nase: die Parfümeurin Manuela Materne. Sie steht in einem Raum, in dem auf Regalen Hunderte kleine Flaschen platziert sind. Im Duftarchiv riecht es beim aktiv-Besuch intensiv nach Zitrone, Moschus, Vanille …
„Hier gehe ich als Erstes hin, wenn ich einen neuen Duft kreiere“, sagt Materne. Von ihrer Arbeit riechen wir am Ende alle etwas: Sie und drei weitere Kollegen entwickeln im Henkel Fragrance Center in Krefeld Gerüche für den Alltag. Düfte etwa für Waschmittel, Haushaltsreiniger oder Shampoos.
Die gute Nase muss täglich trainiert werden
Diese Düfte gehen um die Welt. Von Krefeld aus beliefert der Konzern seine Produktionsstätten mit rund 10.000 Tonnen Parfümöl jährlich. Ihre Nase ist daher Maternes wichtigstes Arbeitsmittel: „Mit der Zeit entwickelt man ein Duftgedächtnis. Es ist ein bisschen so, als würde man Vokabeln lernen.“ Sie rieche daher täglich an verschiedenen Duftrohstoffen. Etwa 1.000 kann die Parfümeurin identifizieren!
Materne hat aus ihrer Leidenschaft ihren Beruf gemacht: „Schon als Kind wollte ich an allem riechen.“ Heute steckt ihre Nase etwa hinter dem Geruch der Henkel-Weichspüler. Um überhaupt so weit zu kommen, hat die gelernte Chemielaborantin eine fünfjährige Zusatzausbildung gemacht, nun gehört sie zu den nur etwa 1.000 Parfümeurinnen und Parfümeuren in aller Welt.
Materne weiß: „Beim Komponieren von Düften geht es immer um Gefühle.“ Wenn wir riechen, werden Gehirnstrukturen angesprochen, die fürs Gedächtnis und für Emotionen zuständig sind. Das haben wir unserer Nase zu verdanken. Kein anderes System im Körper hat einen solch direkten Zugang zu Erinnerungen und Gefühlen: „Daher bringen wir etwa einen Duft mit dem letzten Urlaub in Verbindung.“ Und das kann ein Produkterlebnis intensivieren. Übrigens: Für viele hat auch der Sommer einen speziellen Geruch – er entsteht, wenn in der warmen Jahreszeit erste Regentropfen auf Asphalt fallen. Der Duft hat sogar einen Namen: Petrichor.
„Beim Komponieren von Düften geht es immer um Gefühle“
Manuela Materne, Parfümeurin
Die Kopfnote duftet nur Minuten – die Basisnote hält sich tagelang
Rund 1.200 Rohstoffe stehen Materne zur Verfügung. Daraus komponiert sie über die sogenannte Kopf-, Herz- und Basisnote neue Dufterlebnisse. „Das ist eine echte Herausforderung, denn wir wollen insbesondere den Duft der Kopfnote über einen längeren Zeitraum im Textil erhalten“, sagt die Parfümeurin. Schließlich liegen Kleidungsstücke oft lange im Schrank und sollen dann trotzdem noch frisch riechen. Dazu muss man wissen: Die Düfte der Kopfnote wie Mandarine oder Zitrone duften nur Minuten, die Herznote, das sind Blumendüfte oder Gewürze, kommt auf einige Stunden und nur die Basisnote, sie besteht etwa aus Zedern- und Sandelholz, Moschus und Vanille, hält sich mehrere Tage.
Damit sich die Duftkreationen, die oft bis zu 150 Einzeldüfte enthalten, nicht zu schnell verflüchtigen, kommt bei Henkel die Chemie ins Spiel. Waschmittel und Weichspüler erhalten eine Art Anker – den Precursor - mit dem sich die Duftmoleküle am Textil festhalten können. Wie langlebig der Duft ist, wird dann in eigenen Waschmaschinenlinien getestet. In ihnen werden unterschiedliche Textilien aus Baumwolle oder Synthetik mehrere Male gewaschen und auf Duftleistung geprüft.
Bei der Suche nach neuen Duftkreationen verlassen sich Materne und ihre Kollegen nicht nur auf ihre eigene Nasen. Sie machen Tests mit Kollegen, arbeiten mit dem Marketing zusammen und lassen sogar Verbraucher weltweit an ihren Düften riechen.
Denn eins steht fest: Einen global beliebten Duft – den gibt es gar nicht! Je nachdem, in welcher Ecke der Welt man sich befindet, haben Verbraucher andere Vorlieben. In Südeuropa sind eher blumige Düfte gefragt, in den USA fruchtige und in Asien wiederum leichte Gerüche. „Darauf müssen wir uns einstellen“, sagt Materne.
Eine Dosieranlage mischt das neue Rezept über Nacht
Wenn die Parfümeurin also mit der Arbeit an einem neuen Parfüm beginnt, dann muss sie den Spagat zwischen einzuhaltenden Vorgaben und Kreativität schaffen. „Als Erstes steht die Idee, die zum Konzept passt. Dann versuche ich mir den Duft im Kopf zusammenzusetzen. Ich habe dann die Kopfnote, die Herznote und die Basisnote des Parfüms. Aus meinem Duftgedächtnis nehme ich mir dann die Rohstoffe und setze sie zusammen.“ Das macht Materne auch am Computer. Dort kontrolliert eine Software ihr Duftrezept darauf, ob auch alle Stoffe regelkonform sind. Auch der Preis spielt eine Rolle. Rosenöl etwa kann mehrere 1.000 Euro pro Kilogramm kosten, ISO E-Super hingegen, ein Standardduft, der leicht an Zedern- und Sandelholz erinnert, nur wenige Euro.
Nachdem die neue Kreation über Nacht von einer automatischen Dosieranlage gemischt wurde, geht Materne nochmals ins Finetuning. „Damit ein harmonischer Duft entsteht“, so die Parfümeurin.
Ob die Neuheit aber ins Duft-Portfolio von Henkel übernommen wird, ist noch lange nicht sicher! „90 Prozent der kreierten Düfte werden wieder verworfen“, weiß Maternes Kollege Hubert Smyrek. „Es muss der richtige Zeitpunkt für den Duft sein“, sagt der Parfümeur, der schon seit 40 Jahren Düfte für Henkel kreiert. Materne und Smyrek sind sich einig: Ihr Beruf verlangt nicht nur Kreativität und Leidenschaft. „Man muss auch bereit sein, Rückschläge einzustecken.“ Heißt konkret: Was für sie persönlich gut riecht, muss noch lang nicht der Mehrheit der Konsumenten gefallen.
„Man muss auch bereit sein, Rückschläge einzustecken“
Hubert Smyrek, Parfümeur
Krefeld liefert Parfümöle an 40 Henkel-Standorte
Es ist ein weltweiter Wettlauf um die Nasen der Konsumenten. Die in Krefeld gemischten Düfte gehen hochkonzentriert als Parfümöl in über 40 Produktionsorte weltweit. Und ihren Anfang nehmen sie eben bei Parfümeuren wie Materne und ihren Kollegen.
Bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen: Hatte sie schon mal genug von all den Düften? „Nein! Je mehr man riecht, um so einfacher wird es.“ Und wenn doch mal ein Duft von ihr durchs Raster fällt? „Dann tröste ich mich mit meinem Lieblingsduft: frisch geschnittenem Gras.“
Podcast-Tipp: „Die Macht der Düfte“ – jetzt reinhören!
Wie beeinflussen uns Düfte im Alltag? Diese Frage beantwortet eine Folge des aktiv-Podcasts „Das Wirtschaftsteil“. Wir sprechen darin mit Wissenschaftlern und Parfümeuren über besondere Duftkreationen und darüber, wie Gerüche über unsere Nase direkt in unser Gehirn gelangen. Hören Sie die Folge „Die Macht der Düfte – Wie man mit Gerüchen Geld macht“ jetzt überall, wo es Podcasts gibt – hier klicken: ao5.de/wirtschaftsteil

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.
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