Für Unternehmen aus der Papier und Kunststoff verarbeitenden Industrie ist es nicht leicht, geeigneten Nachwuchs zu finden. Doch die Branche lässt sich einiges einfallen: Aktuelles Beispiel ist die „Papier Challenge“.  Auf dem Event in München Ende April bauten rund 350 Schüler und angehende Packmitteltechnologen stabile Papierbrücken. 

Am Rande der Veranstaltung sprach aktiv mit Dörte Raasch. Sie ist Personalchefin beim Verpackungsspezialisten Yamaton Paper in Rostock und im Ehrenamt Vorsitzende des Hauptausschusses Berufsbildung beim Arbeitgeberverband HPV in Berlin.

Frau Raasch, haben Sie sich bei der Papier Challenge auch auf eine Brücke getraut? 

Ganz ehrlich? Nein, ich habe lieber beobachtet. Das Engagement und der Spirit der Teilnehmenden haben mich sehr beeindruckt. Was für eine tolle Stimmung! Vielleicht hat ja manche Schülerin und mancher Schüler hier einen Ausbildungsberuf für sich entdeckt!

Welche Berufe sind denn für die Papier- und Kunststoffverarbeitung besonders wichtig?

Wir haben insgesamt 15 Ausbildungsberufe, die jungen Menschen in der Branche unterschiedliche Perspektiven bieten. Für unsere Betriebe besonders wichtig sind die Packmitteltechnologen sowie die Maschinen- und Anlageführer für die Druckweiter- und die Papierverarbeitung. Dort absolvierten zuletzt 527 junge Menschen eine Ausbildung, im Ausbildungsberuf Packmitteltechnologe waren es 647.

Reicht das, um den Bedarf der Firmen zu decken?

Leider nicht. Grob geschätzt finden die Unternehmen nur noch für jeden dritten gewerblichen Ausbildungsplatz einen geeigneten Bewerber. Das liegt schlichtweg an den fehlenden Bewerbungen und daran, dass die Voraussetzungen und Skills der Kandidaten nicht immer passen. Wir freuen uns deshalb über jeden neuen Mitstreiter, jede neue Mitstreiterin, die den Weg mit uns gehen möchte. Wir hätten gern viel mehr Azubis!

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Was sollte ein Bewerber mitbringen?

Ein qualifizierter Hauptschulabschluss oder einen Realschulabschluss wäre wichtig. Dann sollte man gern mit Technik und Anlagen umgehen wollen, sozusagen Spaß am Tüfteln haben. Hinzu kommen mathematische und technische Grundlagen, um etwa Produktzeichnungen zu erstellen oder um Maschinensteuerungen zu verstehen. Dieses Verständnis ist auch für komplexere Maschinenabläufe wichtig. 

Eine Portion Sorgfalt und Verantwortungsbewusstsein sollten nicht fehlen, weil man später zum Beispiel auch Aufgaben in der Qualitätskontrolle übernimmt. Lust auf Teamarbeit macht das Ganze dann rund. Und wenn ich in die nähere Zukunft schaue: Wir kommen um die Digitalkompetenz nicht mehr herum! Da geht es dann um digital gesteuerte Produktionsanlagen und KI im täglichen Einsatz.

Das ist ja schon eine ganze Menge … Was bieten die Unternehmen denn umgekehrt an?

Das beginnt zunächst mit attraktiven Ausbildungsvergütungen. Packmitteltechnologen zum Beispiel verdienen im ersten Lehrjahr 1.160 Euro, im zweiten 1.240 Euro, im dritten 1.340 Euro und im vierten 1.420 Euro. Und wer Interesse zeigt, kann sich in den vielen verschiedenen Unternehmen unserer Branche schnell weiterentwickeln und an den wirklich guten Entgelt- und Sozialstandards sowie Karrieremöglichkeiten teilhaben. 

Außerdem sind die Jobs zukunftssicher: Verpackungen werden ja immer gebraucht – wir alle wollen unsere Waren auch in Zukunft sicher verpackt wissen, damit sie heile ankommen. Das ist ein Aspekt, der aufgrund der unsicheren Zeiten für viele junge Menschen wieder wichtiger geworden ist. Hinzu kommt: Wer in der Branche tätig ist, kennt sich mit umweltfreundlichen Technologien und nachhaltigen Produktionsmethoden aus. Das sind Themen, die Sinn stiften und bei denen sich junge Leute engagieren wollen. In unsere Branche können sie das!

Die „Papier Challenge“ in München ist ein neues Format der Nachwuchssuche. Wo sind sie noch aktiv?

Da gibt es viele unterschiedliche Instrumente in den Unternehmen wie auch in den Verbänden. Schulkooperationen, Betriebsbesichtigungen und Praktika gehören zum Beispiel dazu, um Berufe hautnah erleben zu können. So etwas ist gefragt, weil beide Seiten – also Schüler wie Unternehmen – sich einen Eindruck voneinander machen können. Wichtig ist in erster Linie der zwischenmenschliche Austausch wie jetzt bei der „Papier Challenge“, der aber auch oft im Familen- und Freundeskreis stattfindet. 

Dann kommen digitale Kanäle hinzu, die viele Unternehmen schon für sich nutzen. Auch der Hauptverband der Papier- und Kunststoffverarbeitung mit seinem Instagram-Kanal und seiner Karriere-SeiteKarriere-Seite ist ständig dabei, um Nachwuchs für die Branche zu werben. Es passiert also einiges. Trotzdem gilt: Wir müssen dranbleiben und diese Aktivitäten stetig weiterentwickeln, um die Attraktivität unserer zukunftsorientierten Branche ins Licht zu rücken.

Anja van Marwick-Ebner
aktiv-Redakteurin

Anja van Marwick-Ebner ist die aktiv-Expertin für die deutsche Textil- und Bekleidungsindustrie. Sie berichtet vor allem aus deren Betrieben sowie über Wirtschafts- und Verbraucherthemen. Nach der Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie VWL und volontierte unter anderem bei der „Deutschen Handwerks Zeitung“. Den Weg von ihrem Wohnort Leverkusen zur aktiv-Redaktion in Köln reitet sie am liebsten auf ihrem Steckenpferd: einem E-Bike.

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