Berlin/Köln. Deutschlands Wirtschaft steckt in einer schweren Rezession: Um mehr als 5 Prozent wird das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 schrumpfen. Das Niveau der Jahre vor der Corona-Krise dürfte seriösen Prognosen zufolge frühestens (!) 2022 wieder erreicht werden.
In dieser für viele Betriebe kritischen Lage hat die Gewerkschaft Verdi für die etwa 100.000 Beschäftigten der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie nun erheblich mehr Geld gefordert: Im Februar 2021 sollen die Tariflöhne um 4,8 Prozent steigen, und das bei einer Laufzeit von nur zwölf Monaten.
„Die Gewerkschaft Verdi weckt falsche Erwartungen“
Interessant ist die Begründung für diese Forderung. Zum einen hat sich die Gewerkschaft nach eigenen Angaben an einer Beschäftigtenbefragung orientiert – an der allerdings nur rund 3 Prozent der Mitarbeiter teilgenommen haben. Zum anderen verweist die Gewerkschaft darauf, dass die Papier- und Kunststoffverarbeitung „bisher besser durch die Corona-Pandemie gekommen ist als andere Branchen“.
„Das weckt falsche Erwartungen“, entgegnet Stefan Rössing, Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbands HPV in Berlin. „Der Einbruch ist bei uns nicht ganz so katastrophal. Aber auch unsere Unternehmen müssen im Schnitt einen deutlichen Umsatzrückgang verkraften – und beim Auftragseingang liegen wir branchenweit um 4,6 Prozent unter dem Vorjahr.“
Der Erlös pro Mitarbeiter ist in der Papierverarbeitung um 3,5 Prozent gesunken
Laut einer Analyse des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln betrug der Umsatz der deutschen Papierverarbeiter von Januar bis September 2020 rund 15 Milliarden Euro. Das waren knapp 800 Millionen Euro weniger als im gleichen Zeitraum 2019. Der Umsatz je Mitarbeiter sank um 3,5 Prozent.
Im Schnitt also weniger Erlöse für die Betriebe – was laut IW einerseits an einer „geringeren Absatzmenge“ liegt und zum anderen am Niedergang der Preise. „Überdies setzt sich der Trend nachlassender Produktivität weiter fort“, stellt das IW fest.
Im Krisenjahr 2020 entwickeln sich die Lohnstückkosten sogar noch schlechter als im Krisenjahr 2009
Die Tariflöhne dagegen sind weiter gestiegen, zuletzt um 2,7 Prozent – und zwar am 1. März 2020. „Verhandlungen mit Verdi über die Aussetzung dieser Erhöhung waren trotz der Krise nicht möglich“, bedauert der HPV.
Entsprechend schossen die Lohnstückkosten in den ersten drei Quartalen 2020 um 4,5 Prozent nach oben! Selbst im Krisenjahr 2009 hatte sich diese auch für Investoren wichtige Kennziffer laut IW nicht so miserabel entwickelt.

Und dann gibt es da noch einen speziellen Kostenfaktor: Die Unternehmen haben laut HPV „umfangreich in die Arbeitsplatzsicherheit investiert“, um ihre Beschäftigten möglichst gut vor einer Corona-Infektion zu schützen. „Das ist selbstverständlich für verantwortungsbewusste Arbeitgeber“, betont der Verband, „genauso selbstverständlich sollte es für Tarifpartner in schwierigen Zeiten sein, einen verantwortungsbewussten Abschluss anzustreben.“
Am 27. Januar 2021 gehen die Tarifverhandlungen in die erste Runde.