Die deutsche Industrie steckt in der Krise fest. Was heißt das für die Papier- und Kunststoffverarbeitung? aktiv sprach darüber mit Jürgen Peschel, dem Präsidenten des Branchenverbands HPV.
Herr Peschel, wie geht es aktuell der Papier und Kunststoff verarbeitenden Industrie?
Das erste Halbjahr 2024 war eher mau. Der Gesamtumsatz ist um 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Das Bruttoinlandsprodukt ist ja insgesamt gesunken, das schlägt sich auf die Verpackungsindustrie durch. Anders als früher gibt es aber kaum noch Auf und Abs: Wir haben eine durchgängige Krise.
Wie erklären Sie sich das?
Die Menschen haben aufgrund der vielen kritischen Situationen wirtschaftliche Ängste. Sie kaufen nur noch Sachen, die unbedingt nötig sind. Das hat Auswirkungen auf unser Geschäft. In der Coronazeit lief es für die Verpackungsindustrie gut – deshalb war man darauf eingestellt, dass es auch gut weitergeht. Doch stattdessen haben wir im Verpackungsbereich 15 bis 20 Prozent weniger Aufträge. Was wir uns an Aufträgen für 2025 erhofft haben, ist nicht eingetreten. Und die Kosten für Material und Transport sind gestiegen: Die Kunden sind auch unter Druck und müssen sparen. Alle Indikatoren, die das Geschäft eines Verpackungsunternehmens bestimmen, stehen im Moment also auf Sturm.
Welche Folgen hat das?
Wenn das nur eine kurze Zeit so geht, ist das verkraftbar. Wenn die Probleme aber anhalten, wird es schwierig. Für die Unternehmen ist es eine sehr große Herausforderung, ohne Beschädigungen da durchzugehen. Im schlimmsten Fall müssen Beschäftigte entlassen oder Standorte geschlossen werden. Das ist das Damoklesschwert, das über unserer Branche schwebt – und auch über anderen Industrie-Branchen, wie man zum Beispiel gerade bei VW sehen kann.
Wie könnte es denn besser werden?
Die Probleme unserer Branche können nur gelöst werden, wenn die Politik sichere und verlässliche Rahmenbedingungen für die wirtschaftliche Entwicklung und den Konsum schafft. Im Vergleich zu anderen Ländern wächst die Wirtschaft in Deutschland nämlich besonders langsam – und schon 2023 wie wohl auch 2024 gar nicht! Deshalb gilt für Betriebe der Spruch „Schmalhans ist Küchenmeister“: Wir müssen den Gürtel enger schnallen und Maß halten.
Und ab Januar stehen wieder Tarifverhandlungen an …
Ja. Und da wünsche ich mir, dass beide Seiten verantwortungsvoll miteinander umgehen. Auch hier gilt: Maß halten! Die Arbeitgeber können sich derzeit keine großartigen Lohnerhöhungen leisten. Wenn die Gewerkschaft bei der Forderung überzieht, kann es passieren, dass noch mehr Unternehmen aus der Tarifbindung aussteigen. Das wollen wir nicht. Wir möchten, dass die Menschen, die für uns arbeiten, motiviert bleiben – und ein wesentlicher Teil der Motivation sind ein sicherer Arbeitsplatz und eine faire Entlohnung. Deshalb wollen wir Arbeitgeber unsere Mitarbeiter auch weiter fair entlohnen und ihnen einen sicheren Arbeitsplatz bieten.
Löhne steigen im Dezember
- Anfang Dezember steigen die Tariflöhne und -gehälter in der Branche um 1,4 Prozent.
- Das ist bereits die dritte tarifliche Erhöhung seit September 2023: Insgesamt gab es in drei Schritten 8,6 Prozentmehr Entgelt.
- Zusätzlich gab es noch zwei Inflationsausgleichsprämienin Höhe von jeweils 1.000 Euro.
- 2024 ist die Inflationsrate stark gesunken. Im September lag sie nach vorläufigen Zahlen bei 1,6 Prozent.
Tanja Wessendorf berichtet für aktiv aus der Industrie und schreibt über Verbraucherthemen. Sie studierte in Berlin Politikwissenschaft und volontierte in Hamburg bei der Tageszeitung „Harburger Anzeigen und Nachrichten“. Seit 2008 arbeitet sie als Redakteurin, viele Jahre in der Ratgeber-Redaktion des „Kölner Stadt-Anzeiger“, aber auch beim TV-Sender Phoenix. Privat liebt sie alles, was schnell ist: Kickboxen, Eishockey und laufen mit ihrem Hund.
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