Berlin.Recht unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit ist kürzlich die Tarifrunde in einem wichtigen Industriezweig zu Ende gegangen: In der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie gelang die Einigung auf einen neuen Lohntarifvertrag mit ziemlich langer Laufzeit.

Das Ergebnis selbst ist rasch erklärt, der Weg dahin war dieses Mal allerdings ungewöhnlich langwierig. Fünf Verhandlungsrunden waren bis zum Abschluss nötig – so viele wie schon lange nicht mehr.

Tariflohn steigt in zwei Schritten

Die Entgelte in der Branche mit bundesweit rund 100.000 Beschäftigten steigen jetzt um 2,8 Prozent, im März 2020 dann um weitere 2,7 Prozent. Der neue Tarifvertrag gilt bis Ende Januar 2021. Rechnet man die „Nullmonate“ mit, die seit Ablauf des alten Vertrags im Herbst 2018 verstrichen sind, ergibt sich eine Laufzeit von 27 Monaten.

Insgesamt also 5,5 Prozent mehr Lohn bei einer Laufzeit von über zwei Jahren: Das ist weniger als die Hälfte dessen, was die Gewerkschaft Verdi ursprünglich gefordert hatte. Die von den Arbeitgebern gewünschte Öffnungsklausel für Betriebe in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gibt es allerdings nicht (wenn auch eine tarifliche Sonderregelung für die besonders kriselnde Tapeten-Industrie).

„Ein respektables Ergebnis“, teilt Verdi dazu mit. Es sei nur durch die „überaus gute Warnstreikbeteiligung“ erreicht worden.

Warnstreiks „weit über das angemessene Maß hinaus“

Genau dieser Punkt aber führt beim Arbeitgeberverband HPV in Berlin nach wie vor zu großem Unverständnis. „Mit ihrer völlig überzogenen Forderung hat die Gewerkschaft leider viele falsche Hoffnungen geweckt“, kritisiert HPV-Präsident und -Verhandlungsführer Jürgen Peschel. „In der Folge gab es eine ganz unnötig aufgeheizte Stimmung – und Streiks weit über das angemessene Maß hinaus. 48-Stunden-Warnstreiks? Das sind für mich keine Warnstreiks mehr.“ Den bestreikten Unternehmen ist nach Berechnung des HPV ein Schaden von mehr als 80.000 Ausfallstunden entstanden.

Arbeitgeber möchten die Tarifbindung stärken

„Dieser Tarifabschluss ist gerade noch vertretbar“, so Peschels Fazit, „und angesichts der Verschlechterung der Konjunkturprognosen muss ich sogar sagen: absolut an der Grenze.“ Immerhin bringe die lange Laufzeit wichtige Planungssicherheit für die Betriebe.

Die Stimmung zwischen den Tarifparteien ist also offenbar getrübt. Dabei will man sich eigentlich bald wieder zusammensetzen, um den Manteltarifvertrag zu modernisieren. „Wir müssen unser veraltetes Tarifwerk dringend zukunftsfähiger und attraktiver gestalten, wenn wir mehr tarifgebundene Unternehmen wollen“, erklärt Peschel.

Sehr einig sind sich Arbeitgeber und Gewerkschaft immerhin, wenn es um den so wichtigen Nachwuchs geht: Im neuen Tarifvertrag ist auch eine deutliche Erhöhung der Ausbildungsvergütungen um 90 Euro im Monat festgeschrieben. Ein wichtiges Signal dieser Industriebranche im Kampf um die knappen Fachkräfte von morgen.