Berlin/Köln. Die Wirtschaft brummt, der längste Aufschwung seit der Wiedervereinigung dauert immer noch an. Aber wo viel Licht ist, ist eben auch mancher Schatten. Das zeigt eine Studie zur Konjunktur der papierverarbeitenden Industrie, für die das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Daten des Statistischen Bundesamts ausgewertet hat.

Am Beispiel der Wellpappenproduktion wird da gezeigt, dass die zuletzt wieder stark gestiegenen Rohpapierpreise „nicht auf den Endkunden überwälzt werden“ konnten – heißt: Den Betrieben bleibt entsprechend weniger in der Kasse.

Produktion und Umsatz erreichen gerade erst wieder das Level des Jahres 2011

So präzise Erkenntnisse liegen nicht für alle Branchenzweige vor. Der Etiketten-Fachverband Vske hatte unlängst von einer „angespannten Situation bei verschiedenen Rohstoffen“ und „verschärfter Kostensituation“ berichtet. Faltschachtel-Hersteller wiederum leiden nach Angabe ihres Verbands FFI wegen der zunehmend europaweiten Konkurrenz unter „enormem Margendruck“.

Für die Papierverarbeitung insgesamt stellt die IW-Studie nun fest: Produktion und Umsatz haben in der letzten Zeit zwar kräftig zugelegt. Aber diese beiden zentralen Kennzahlen dürften 2018 gerade erst wieder das Level des Jahres 2011 erreichen!

Die Lohnstückkosten sind stark gestiegen

Ähnlich sieht es laut IW bei der Arbeitsproduktivität je Stunde aus: Seit Mitte des Vorjahrs steigt sie endlich wieder (der besseren Auslastung der Firmen entsprechend) – aber sie ist immer noch geringer als 2010.

Wegen der schwächelnden Produktivität haben die Lohnstückkosten in der Papierverarbeitung übrigens stärker zugelegt als in der Industrie insgesamt. So etwas gilt für die, die über Investitionen am Standort D nachdenken, als deutliches Warnsignal.

AKTIV-Interview mit Jürgen Peschel, Verhandlungsführer der Arbeitgeber

„Kostensteigerungen bleiben hängen, das belastet das Ergebnis“

Berlin. Bald wird über die Tariflöhne in der Papier- und Kunststoffverarbeitung verhandelt. Seitens des Arbeitgeberverbands HPV wird dann Jürgen Peschel (Smurfit Kappa) die Tarifverhandlungen führen. Im Gespräch mit AKTIV warnt er vor zu hohen Erwartungen.

Der Aufschwung dauert bisher noch an, die Umsätze steigen: Gute Stimmung in den Unternehmen?

Die Auslastung der meisten Betriebe ist tatsächlich recht gut. Aber bei der Weitergabe von Kostensteigerungen an die Kunden hat die Branche seit Langem ein massives Problem.

Na ja, Kosten steigen doch immer …

Aber selten so brutal wie in der letzten Zeit! Die Rohstoffpreise steigen viel stärker als die Preise der Produkte, die wir daraus fertigen – das betrifft praktisch alle unsere Teilbranchen. Die Logistikkosten ziehen deutlich an, und das dürfte kaum besser werden: Lkw-Fahrer sind knapp, die Maut wird jetzt auf allen Bundesstraßen fällig. Dazu kommen höhere Energiepreise und die ja erst im April um 2,1 Prozent gestiegenen Löhne.

Wie reagieren die Unternehmen, welche Trends beobachten Sie da?

Produktion jenseits der Grenze bleibt ein großes Thema. Und natürlich versuchen alle, ihre Maschinen besser auszulasten. Folge: Der Konkurrenzdruck innerhalb der Branche nimmt zu – das macht Preiserhöhungen noch schwieriger. Ein Teufelskreis! Die erwähnten Kostensteigerungen bleiben hängen, das belastet das Ergebnis, als Folge stehen nötige Investitionen auf der Kippe.

Ist eine weitere Tariflohnerhöhung 2019 da überhaupt denkbar?

Ja, als eine Wertschätzung der Leistung unserer Arbeitnehmer. Aber eben nur im Rahmen der begrenzten Möglichkeiten.

Rechnen Sie mit einer schnellen Einigung mit der Gewerkschaft?

Es dürften schwierige Verhandlungen werden, weil Verdi traditionell zu sehr auf die Abschlüsse nicht vergleichbarer Branchen schaut – und zu wenig darauf sieht, was unsere Unternehmen verkraften können. Das schwächt übrigens auf Dauer die Tarifbindung.