München. Ein fliegendes, mit Dampf angetriebenes Pferd? So hat man sich eine bahnbrechende Innovation vielleicht im 19. Jahrhundert vorgestellt. Am Markt konnte sich ein solches Gefährt jedoch nie durchsetzen.

Was in diesem konkreten Fall wohl seine guten Gründe hat, liegt bei anderen Innovationen möglicherweise nur an schlechten Rahmenbedingungen, die es Erfindern erschweren, ihre Ideen in marktreife Produkte umzusetzen.

Doch genau dies ist für jeden Wirtschaftsstandort wichtig. Die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft hat deshalb schon zum zehnten Mal einen Patentkongress organisiert, um auf die Bedeutung von Forschung, Entwicklung und Innovation aufmerksam zu machen.

Warum sind Patente denn so wichtig? Ganz einfach: Je mehr intelligente und innovative Lösungen am Standort Bayern entwickelt, produziert und vermarktet werden, desto besser sind die Perspektiven für die hiesigen Betriebe – die dadurch gute Jobs schaffen können.

Patentallianz bringt Betriebe und Forscher zusammen

Damit vor allem Ideen aus der Wissenschaft in die Unternehmen kommen, gibt es die Bayerische Patentallianz (BayPAT). Sie unterstützt seit zwölf Jahren bayerische Hochschulen dabei, die Ergebnisse ihrer Wissenschaftler zu vermarkten.

Die BayPAT selbst sieht sich dabei immer stärker in der Rolle einer Technologietransfer-Agentur, die als Scharnier zwischen Hochschule und Wirtschaft fungiert. Sie sichert Erfindungen und Innovationen und kommerzialisiert sie mittels Auslizensierung an Industriepartner oder Ausgründungen.

Ein erfolgreiches Beispiel dafür sind die Forschungen des Instituts für Sensor- und Aktortechnik (ISAT) der Hochschule Coburg. Sie nutzen ein physikalisches Prinzip aus: akustische Oberflächenwellen.

Schließlich ist es so: Bebt tief am Grund des Ozeans die Erde, kann sich die ausbreitende Welle zu einem riesigen Tsunami ausdehnen. Diese technische Idee – nämlich dass kleinste Erschütterungen messbare Wellen hervorrufen können, überführt das Institut in Coburg in intelligente Sensorik.

Mit Gefühl: Die Fliese reagiert auf jeden Fingertipp. Das funktioniert, weil ein Wandler auf der Rückseite der Fliesen die Wellenbewegung des Tipps aufnimmt und dadurch dafür sorgt, dass etwa das Licht eingeschaltet wird.

Akustische Wellen spüren Kalk in Wasserleitungen auf

Mithilfe dieser Wellen lösen die Forscher beispielsweise winzigste Bewegungen in chemischen Stoffen aus – etwa im Kupferblech, das für das Aufladen von Akkus wichtig ist. Das Ergebnis: Der Akku lädt viel schneller auf.

Dieselbe Technik steckt auch in Sensoren, die außen an Wasserleitungen angebracht werden und dann signalisieren, ob die Rohre innen verkalkt sind.

Zudem können viele Materialien sensibel für Berührungen gemacht werden. Etwa Badezimmerfliesen: Geht einer darüber, schaltet sich das Licht oder die Dusche ein.

Die entsprechenden Patente für die Technologien hat die Hochschule Coburg bereits erfolgreich angemeldet. Für einige laufen schon Lizenzverfahren mit Firmen, die entsprechende Produkte herstellen und vermarkten wollen.

Insgesamt haben Unternehmen in Bayern im Jahr 2018 fast 15.000 Patente angemeldet, mehr als in jedem anderen Bundesland. Besonders viele Erfindungen kommen aus den Bereichen Transport, Maschinenelemente und elektrische Maschinen.

Auch international spielt Bayern bei wichtigen Zukunftsthemen an der Spitze mit. So liegt der Freistaat in puncto Patentaktivitäten in den Bereichen intelligente Verkehrssysteme und zukünftige Mobilität weit vorne.

Bayern spielt bei Patenten auf Weltklasseniveau an der Spitze mit

Bei den sogenannten Weltklassepatenten stellt Bayern ebenfalls einen hohen Anteil. Weltklassepatente sind besonders wichtige, werthaltige Patente mit besonders hohem Marktpotenzial.

Damit dies so bleibt, hat die Staatsregierung wichtige Forschungsprogramme angestoßen mit Schwerpunkt auf Digitalisierung, Luft- und Raumfahrt, Gesundheit, Mobilität und Infrastruktur sowie Energie und Umwelt.

Innovationen bei Letzterem könnten helfen, dass Bayern auch eine Vorreiterrolle beim Klimaschutz einnimmt. Auf dem Gebiet der Energiegewinnung etwa hat die TU München geforscht - und vor zehn Jahren das Konzept des Schachtkraftwerks zur Energiegewinnung mit Wasser auf dem Patentkongress vorgestellt. Das Pilotkraftwerk wird derzeit gebaut und soll im kommenden Jahr im oberbayerischen Großweil an der Loisach in Betrieb gehen.

Das Schachtkraftwerk bei Großweil an der Loisach ist ein Pilotprojekt. Das innovative Wasserkraftwerk fügt sich gut in das Landschaftsbild ein und schont die Fischpopulation.

Das innovative Kraftwerk gilt als kosteneffizient und besonders naturverträglich. Es fügt sich aufgrund fehlender großer Gebäude hervorragend in die Natur ein, es findet kein Eingriff in den Uferbereich statt, und das Landschaftsbild wird nicht gestört.

Darüber hinaus ist es für Fische ungefährlicher als herkömmliche Wasserkraftwerke. Weil die Bauten überwiegend unter Wasser liegen, ist es zudem kaum wahrnehmbar und besonders leise. Das Konzept ist durch mehrere deutsche und internationale Patente und Patentanmeldungen geschützt und wird derzeit über die BayPAT vermarktet.

Auch in puncto Tierschutz können Innovationen helfen, wie eine weitere Idee der TU München zeigt. Sie steht allerdings noch ganz am Beginn der Vermarktung. Das neue Verfahren könnte ein großes ethisches Problem der Tierzucht lösen.

Innovatives Verfahren verbessert den Tierschutz

Es geht darum, das Töten männlicher Küken, deren Aufzucht ökonomisch wenig rentabel ist, zu vermeiden. In Deutschland werden aus diesem Grund fast 50 Millionen Küken jährlich umgebracht, weltweit etwa 2,5 Milliarden.

Der Hintergrund: Bestimmte Hühnerarten werden ausschließlich gezüchtet, um Eier zu legen. Da männliche Küken keine Eier legen können, werden sie für die Zucht nicht benötigt – und daher getötet.

Mithilfe eines Verfahrens der TU München lässt sich das Geschlecht eines Kükens schon im Ei bestimmen. So kann gewährleistet werden, dass nur weibliche Küken schlüpfen, die später selber Eier legen. Damit lässt sich verhindern, dass männliche Küken nach dem Schlüpfen für die Zucht nicht benötigt und daher geschlachtet werden.

Bisher ließ sich das Geschlecht des Kükens vor dem Schlüpfen nur mit einigem Aufwand feststellen. Das haben Wissenschaftler der TU München nun geändert. Sie haben sich mithilfe der BayPAT ein Verfahren patentieren lassen, bei dem in einem Kernspin-Tomografen frühzeitig im Ei festgestellt wird, ob ein Küken männlich oder weiblich ist.

Gerade dieses Beispiel verdeutlicht, dass innovative Technologie der Schlüssel zur Nachhaltigkeit ist!