Berlin. Mit Schwung betritt sie den Raum: „Dann mal los“, sagt Nora Schmidt-Kesseler, neue Hauptgeschäftsführerin der Nordostchemie-Verbände in Berlin. Klar und bestimmt regelt die Juristin seit dem 1. April alle Belange von drei Industrie-Verbänden vom Personellen bis hin zum Tarifrecht.
Sie ist die erste Frau an der Spitze des Arbeitgeberverbands Nordostchemie, des Landesverbands Nordost des Verbands der Chemischen Industrie sowie des Allgemeinen Arbeitgeberverbands Nordostchemie. Das Alleinstellungsmerkmal kommentiert sie mit einem Lächeln: „Es ist immer gut, wenn Männer und Frauen zusammenarbeiten. Jeder hat einen anderen Blickwinkel.“
Ihre Ziele hat sie klar vor Augen: „Wir bieten ein starkes Portfolio an Leistung. Ich will die Verbände voranbringen und der Öffentlichkeit verdeutlichen, was wir für die Industrie, aber auch für die Allgemeinheit leisten.“ Zum Beispiel? „Die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms ist eine große Belastung für die Branche, sie drängt die Industrie ins Ausland. Das darf nicht sein. Oder die strengen Klimaschutzgesetze etwa von Thüringen, die weit über das EU-Recht hinausgehen. Sie erfordern hohe Investitionen der Betriebe, um die Auflagen zu erfüllen.“
Was ist wichtig für die Branche? Was beschäftigt sie, was braucht sie?
Sie verweist auch auf das enorme Engagement in Sachen Ausbildung, Gesundheitsmanagement, Standortsicherung oder Wettbewerbsfähigkeit. Und die Tarifpolitik, bei der man die Interessen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer unter einen Hut bringen muss. „In allen Punkten setzen wir auf die gute Zusammenarbeit mit unserem Sozialpartner, der Chemiegewerkschaft IG BCE“, betont Schmidt-Kesseler.
Fast möchte man meinen, sie sei schon immer in der Chemiebranche tätig gewesen. „Nein“, sagt die gelernte Rechtsanwältin und Diplom-Finanzwirtin, „aber ich gewinne jeden Tag an Wissen dazu.“ Das muss sie „nebenbei“ schaffen, denn ihr Tag ist prall gefüllt. Gleich früh am Morgen geht es los: E-Mails checken, Besprechungen. Dann folgen diverse Termine, Sitzungen, Ausschüsse und Dienstreisen: „Zu uns gehören sechs Bundesländer, in jedem habe ich es mit mehreren Ministern zu tun. Da ist es sehr wichtig, den Kontakt zu halten.“
Immer wieder heißt es zuhören, Schlüsse ziehen, Strategien entwickeln, beraten. „Im Grunde dreht sich alles um Kommunikation“, so die Chefin. Stets hat sie das Anliegen der Verbände vor Augen: „Was ist wichtig für die Branche? Was beschäftigt sie, was braucht sie?“
„Ohne Digitalisierung wird es künftig nicht gehen“
Fast 14 Jahre lang war sie Hauptgeschäftsführerin der Bundessteuerberaterkammer in Berlin, der gesetzlichen Spitzenorganisation aller Steuerberater. Jetzt reizt sie die chemische Industrie: „Wirtschaft, Politik, Tarifrecht – das alles macht mir großen Spaß!“
Aktuell arbeitet sie mit einem Expertenteam an der Plattform „Industrie 4.0“ für den Nordosten. „Ohne Digitalisierung wird es künftig nicht gehen. Was kommt auf die Firmen zu, gerade auf kleine und mittlere Unternehmen? Welche Auswirkung hat die Entwicklung auf die Arbeit, die Technologie, die Produktion? Wir werden das Know-how bündeln und für unsere Mitglieder bereitstellen!“
Und wie schafft man es, trotz der vielen Aufgaben so ausgeglichen und ruhig zu sein? „Ich bin sportbegeistert und liebe das Laufen und das Kickboxen.“ Für die Kampfsportart benötigt man Ausdauer, Konzentration und Kondition. Eigenschaften, die auch im Beruf helfen. Ebenso wie Schnelligkeit und Präzision.
Persönlich
Wie kamen Sie zu Ihrem Beruf?
Ich bin als Finanzwirtin gestartet, habe später meine Leidenschaft für die Juristerei entdeckt, und dann kam das Faible für die Politik dazu.
Was reizt Sie am meisten?
Dinge zu bewegen und Herausforderungen zum Wohle der Gesellschaft zu meistern.
Worauf kommt es an?
Ein gutes Rüstzeug zu haben wie zum Beispiel Jura. Und man muss unbedingt die Zusammenhänge kennen, um den Überblick und eine strategische Ausrichtung zu haben.
Starke Unternehmen, Arbeitsplätze, Ausbildung und viel Verantwortung
- Nordostchemie vertritt die wirtschafts- und sozialpolitischen Interessen der ostdeutschen chemischen Industrie.
- Für die ostdeutsche Chemie- und Pharmabranche arbeiten über 58.000 Beschäftigte in den mehr als 300 Mitglieds-Unternehmen des Verbands. Davon sind knapp 43.000 Mitarbeiter in tariflich gebundenen Unternehmen beschäftigt.
- Jährlich bildet die Branche hier etwa 800 Azubis aus.