Gescher. Schwarze Sicherheitsschuhe, blauer Arbeitskittel – so steht „Next“-Preisgewinnerin Aylin Savas vor der Kondensiermaschine in der Druckerei des Textilunternehmens Eing in Gescher. Sie blickt nach oben und deutet auf die etwa drei Meter breite, gemusterte Biberbettwäsche. „Um eine gute Farbechtheit zu erreichen, muss der Pigmentdruck bei einer Temperatur von 150 Grad langsam trocknen“, sagt die 19-Jährige fachmännisch.

Anlageneinstellung, Flottenaufnahme, Temperaturkontrolle, im Labor die Farb- und Gebrauchsechtheit prüfen oder Farbvorlagen der Kunden nachstellen – das sind Dinge, mit denen sich die junge Produktveredlerin täglich beschäftigt: „Mein Job wird nie langweilig“, sagt sie. Und er ist ungewöhnlich, zumindest für eine junge Frau: „Klar, die meisten sehen einen da eher als Arzthelferin oder so“, lacht sie und winkt ab: „Hab ich im Praktikum probiert, war aber nichts für mich.“

Einziges Mädchen in der Ausbildungsklasse

Stattdessen festigte sich nach einem weiteren Praktikum bei Eing ihr Berufswunsch: Produktveredlerin sollte es sein. Die dreijährige Ausbildung schloss sie 2016 ab – und ergatterte gleichzeitig den ersten Platz des Nachwuchspreises Next der Brancheninitiative „ZiTex – Textil & Mode NRW“. Er zeichnet junge Textiler aus und will besonders bei Jugendlichen Interesse an den Ausbildungsberufen der Branche wecken.

Der Clou dabei: Laut der aktuellen Ausbildungsstatistik der Industrie- und Handelskammern war Savas in Nordrhein-Westfalen vergangenes Jahr die einzige weibliche Auszubildende in diesem Beruf. Das hatte Folgen für den Alltag: In der Berufsschule in Steinfurt saß sie als einziges Mädchen in der Klasse. „Das war aber nie ein Problem“, versichert die Hobby-Boxerin. Neben der täglichen Arbeit am Spannrahmen und in der Färberei filmte sie zusammen mit weiteren Eing-Auszubildenden Kurzporträts über die Lehrberufe und engagierte sich in der Ausbildungsvertretung. „Ihre Arbeit erledigt sie äußerst professionell“, lobt Ausbilder Manfred Wies.

Dabei kam der frischgebackenen Produktveredlerin ein glücklicher Zufall zur Hilfe. Statt in der Veredlung zu arbeiten, in der das 140-Mann-Unternehmen jährlich im Auftrag von Kunden über 7.000 Tonnen Garne, Gewebe und Vliese ausrüstet, bietet sich ihr derzeit die Gelegenheit, im Labor des Lohnveredlers tätig zu sein. Savas: „Das bringt mir nochmals mehr Erfahrung ein.“

Dort gehen alle bearbeiteten Textilien als Proben durch ihre Hände: wasserabweisend ausgerüstete Acrylgewebe für die Automobil-Industrie, antibakteriell beschichtete OP-Artikel, flauschige, bunt gefärbte Baumwollstoffe für Heim- und Haustextilien oder Putz- und Handtücher und sogar Garne, die speziell imprägniert als Dochte in Kerzen brennen. „Ich sehe Gewebe und Garne und weiß, wofür sie letztendlich eingesetzt werden“, sagt Savas. Das mache den Reiz ihrer Arbeit aus. Dazu gehören die Prüfung der Luftdurchlässigkeit ebenso wie Tests auf Reißfestigkeit und Dehnung des Materials.

Stoffproben und Glaskolben wird sie im Sommer zumindest für einige Tage links liegen lassen und einen Trip ins Warme machen. Mit dem gewonnen Reisegutschein von 2.000 Euro geht’s in den Jahresurlaub. „Gern auch etwas weiter weg“, hat sie sich überlegt.

Für den Techniker nach Mönchengladbach

Danach möchte Savas erneut durchstarten – und neben der Arbeit wieder die Schulbank drücken. „Ich ziehe eine Technikerausbildung in Erwägung.“ Manfred Wies unterstützt sie dabei. „Wir brauchen gut ausgebildete junge Leute im Betrieb“, sagt der Ausbilder.

Ihre Fühler hat sie schon ausgestreckt – nach Mönchengladbach. Dort startet im Herbst 2018 die Textil-Akademie. Sie soll zu einem der bundesweit zentralen Standorte für die textile Ausbildung werden – einschließlich Technikerausbildung. Gut möglich, dass Savas wieder als einzige Frau in der Klasse sitzt. Sie nimmt’s gelassen: „Ist ja nichts Neues für mich.“