Berlin/Köln. Die gute Nachricht für die Mitarbeiter zuerst: Im April steigen die Tariflöhne in der Papier, Pappe und Kunststoffe verarbeitenden Industrie. Es gibt erneut ein Plus von 2,1 Prozent, wie es die Tarifpartner Anfang 2017 vereinbart hatten. Erneut liegt damit der Zuwachs beim Brutto deutlich über der jährlichen Teuerung (im Februar lag die Inflationsrate bei 1,4 Prozent).

Diese Erhöhung „sorgt weiterhin für real mehr Geld im Portemonnaie der Beschäftigten“, heißt es beim Branchenverband HPV in Berlin. Er betont, dass sich damit eine beachtliche Entwicklung fortsetzt: Die Tariflohnsteigerungen seit 2012, einfach aufaddiert, ergeben 16,6 Prozent.

Produktion etwas gesunken, Umsatz pro Stunde kaum gestiegen

Die weniger gute Nachricht: Der weit im Voraus vereinbarte Lohnanstieg ist womöglich höher als das, was derzeit passend wäre. Das zeigen Auswertungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die auf Daten des Statistischen Bundesamts für Betriebe mit mindestens 50 Mitarbeitern basieren.

Demnach lag die Produktion in der Papierverarbeitung im Jahr 2017 mehr als 4 Prozent unter (!) dem Level von 2012. Der Umsatz in Euro je Arbeitsstunde ist in den letzten Jahren nur minimal gestiegen – rechnet man die Inflation gegen, bleibt da sogar ein Minus.

Das mag auch daran liegen, dass die Exportquote von über 30 Prozent auf nur noch 27 Prozent gesunken ist. Große Branchenbereiche hätten mit „wegbrechenden Auslandsmärkten“ oder „zusätzlichen Konkurrenten aus Mittel- und Osteuropa“ zu kämpfen, heißt es dazu beim HPV. Wobei den Unternehmen „vor allem die enormen Preissteigerungen im Rohstoffeinkauf zu schaffen machen“: 2017 sind die Verpackungspapierpreise zweimal deutlich angehoben worden, aktuell müssen die Unternehmen eine weitere Erhöhung verkraften. Die Preise für Papier-, Karton- und Pappewaren dagegen konnten laut IW 2017 nur um 0,3 Prozent erhöht werden. Das drückt die Marge der Betriebe.

Ein kleiner Trost: In der Kunststoffverarbeitung hat sich die Lage seit 2012 besser entwickelt, wie die IW-Daten zeigen. Allerdings arbeitet dort nur jeder dritte Beschäftigte der Branche.

Interview

Jürgen Peschel. Foto: Bickel
Jürgen Peschel. Foto: Bickel

HPV-Präsident Jürgen Peschel zur Lage der Branche

Berlin. Er kann die Lage der Unternehmen im Lande einschätzen wie kaum ein anderer: Jürgen Peschel, im Hauptberuf Smurfit-Kappa-Manager, ist ehrenamtlicher Präsident des Branchenverbands HPV und Verhandlungsführer der Arbeitgeber in den Tarifrunden.

Die Löhne steigen jetzt ja wieder – wie geht es denn den Betrieben?

Leider sehr gemischt. Einige stehen gut, wenige sehr gut da – regelrechte Verwerfungen dagegen gibt es bei Briefhüllen- und Tapetenherstellern. Aber für praktisch alle gilt: Steigende Kosten, besonders bei den Papierpreisen, können nur teilweise an die Kunden weitergegeben werden. Das ist ein großes Problem! Vereinzelt gibt es sogar Signale aus der Branche, dass der Produktionsstandort Deutschland an Attraktivität verliert. Erste Betriebe verlagern bereits ihre Produktion ins europäische Ausland.

Wäre es also sinnvoll, flexible Elemente in den Lohntarifvertrag einzubauen? Oder gar das Tarifwerk insgesamt zu modernisieren?

Beim Lohn sind Öffnungsklauseln für Unternehmen mit Schwierigkeiten sicherlich wünschenswert. In der Vergangenheit zeigte sich die Gewerkschaft Verdi aber nicht interessiert. Es gibt längst verschiedene Ideen, wie unser Manteltarifvertrag attraktiver gestaltet und so die Tarifbindung gestärkt werden könnte – dafür müsste sich allerdings die Gewerkschaft bewegen. Wir Arbeitgeber brauchen modernere Tarifregeln, um den Mitarbeitern auch in Zukunft attraktive Arbeitsplätze bieten zu können.

Der Gesetzgeber will die Betriebsrenten stärken. Sind da neue tarifliche Leistungen denkbar?

Darüber denken wir nach. Ganz klar ist aber, dass jeder Euro nur einmal ausgegeben werden kann: Wenn wir Geld für eine tarifliche Altersvorsorge geben, steht dieses Geld eben nicht mehr für Lohnerhöhungen zur Verfügung.