Bamberg. Thorsten Stein streift sich mit seiner rechten Hand die Brille von der Nase und hält sie gegen das Licht. Die Gläser sind klar und durchsichtig, nur ein winziger Hauch von Bronze blitzt auf. „Von einem normalen Glas ist es kaum zu unterscheiden“, sagt der Entwicklungleiter des Optik-Spezialisten Rupp + Hubrach. „Aber nachts beim Autofahren, da entfaltet es seine Wirkung.“

Die Rede ist von „EyeDrive“, wie die Firma ihr Autofahrerglas getauft hat. Der Clou: Seine Beschichtung lässt alle wesentlichen Informationen durch, störende Lichteffekte aber nicht. Nachts auf nasser Straße etwa blendende Scheinwerfer, blinkende Reflektoren, spiegelnde Ampeln. Bis zu 90 Prozent weniger Blendung werden erreicht.

Fünf Jahre haben die Entwickler daran getüftelt, die Idee entstand sogar noch zwei Jahre früher. Ein Paradebeispiel für heutige Innovationen, findet Stein: „Neuerungen sind nicht mehr von Technologie getrieben“, sagt er. „Wir orientieren uns am Problem der Kunden und versuchen, es mit unserem technischen Baukasten zu lösen.“

Komfortbrillen ergänzen medizinische Sehhilfen

Dabei steht heute nicht mehr der medizinische Aspekt im Vordergrund: „Wir wollen mehr Komfort bieten“, sagt Marketingleiter Frank Lindenlaub. „Auch für Menschen, die gar keine Sehschwäche haben.“ Lindenlaub ist vor wenigen Monaten zum Unternehmen gekommen und war sofort eng verzahnt mit der Entwicklung. „40 Millionen Brillenträger gibt es in Deutschland“, sagt er. „Eine Sehschwäche zu korrigieren, ist jedoch nichts bahnbrechend Neues.“

Denn wie man Gläser schleift, haben schon Mönche im Mittelalter gewusst. Das Potenzial liege woanders: „Nur etwa jeder dritte Brillenträger sieht mit seinen Gläsern in allen Lebenslagen gut“, so Lindenlaub. Insbesondere, weil die meisten heute ihre Augen durch PC- und Smartphone-Nutzung mehr anstrengen als vor wenigen Jahren. „Eine Komfortbrille oder ein Zweit- und Drittmodell können helfen.“

Regelmäßig konferieren daher bei Rupp + Hubrach Vertreter aus allen Unternehmensbereichen, um erste Ideen voranzutreiben. Die darf jeder einbringen: Selbst im Servicecenter heften Mitarbeiter Zettel mit Vorschlägen an eine große Magnetwand.

„Der Weg zum fertigen Produkt ist nie gerade“, sagt Entwickler Stein. „Es gibt Gabelungen und Sackgassen, weil Lösungen technisch zu komplex oder auch zu teuer sind.“

15.000 Gläser entstehen pro Tag

Denn die Herausforderung der Optikerbranche: Drei von vier Gläsern werden individuell gefertigt, Tendenz steigend. Rund 15.000 Gläser verlassen täglich die Produktionsstätte. Das Schleifen erledigen Maschinen, doch die Fachleute nehmen jedes Glas unter die Lupe und entdecken selbst winzigste Fehler.

Nach dem Schleifen kommt Farbe aufs Glas, Braun für Sonnenbrillen etwa. „Jeder Farbton ist möglich“, sagt Stein, „auch das Pink des Lieblingspullis.“ Vor Kratzern schützt eine Lackschicht. Dann der Höhepunkt: die Hochvakuumbeschichtungsanlage. Darin verdampfen verschiedene Metalloxyde. Sie legen sich wie ein dünner Film aufs Glas und erzeugen den Effekt: scharfes, blendreduziertes Sehen bei Nacht.